Dune 01: Der Wüstenplanet
zeige mir, wo ich hingehen muß.«
Sie ging voraus und führte ihn einen Gang entlang, der bald darauf in einen breiten, erleuchteten Tunnel mündete. Der Boden, auf dem sie sich bewegten, war weich, sauber und mit Sand bedeckt.
Während Paul neben Harah ging, musterte er ihr Profil.
»Du haßt mich nicht, Harah?«
»Warum sollte ich dich hassen?«
Sie nickte einer Gruppe von Kindern zu, die sie aus einem Nebengang heraus anstarrten. Hinter den Kindern sah er die Umrisse von Erwachsenen, die sich hinter einem halbdurchsichtigen Vorhang bewegten.
»Ich ... besiegte Jamis.«
»Stilgar hat mir gesagt, daß ihr die Zeremonie abgehalten habt und daß du ein Freund von Jamis warst.« Sie sah ihn von der Seite an. »Stilgar hat gesagt, daß du den Toten etwas von deiner Flüssigkeit gabst. Ist das wahr?«
»Ja.«
»Das ist mehr, als ich tue ... als ich tun kann.«
»Du beklagst seinen Tod nicht?«
»Wenn die Zeit der Klage kommt, werde ich ihn beklagen.«
Sie gingen an einem offenen Gewölbe vorbei. Paul warf einen Blick hinein und sah, daß dort Männer und Frauen an Maschinen arbeiteten. Die Grotte war hell beleuchtet, und die Menschen machten den Eindruck hektischer Betriebsamkeit.
»Was tun die Leute da?« fragte Paul.
Harah warf, nachdem sie die Grotte hinter sich gelassen hatten, einen Blick zurück und erwiderte: »Sie beeilen sich, damit die Plastikwerkstatt ihr Soll erfüllt hat, wenn wir fliehen müssen. Wir brauchen viele Tausammler für die Niederlassung.«
»Fliehen?«
»Bis die Schlächter damit aufhören, uns zu verfolgen, oder sie aus unserem Land vertrieben sind.«
Paul erinnerte sich an eine der Visionen, die er einst gehabt hatte. Es war nur ein Fragment, eine visuelle Projektion, und er wurde nicht schlau aus ihr. Im nachhinein schienen die Fakten nicht mehr zueinander zu passen.
»Die Sardaukar jagen uns«, sagte er.
»Bis auf einen oder zwei leere Sietchs werden sie nichts finden«, meinte Harah. »Aber viele von ihnen werden eines auf jeden Fall finden: den Tod im Sand.«
»Werden sie diesen Ort ausfindig machen?« fragte Paul.
»Wahrscheinlich.«
»Und dennoch haben wir die Zeit, um ...« – er deutete mit dem Kopf auf die bereits hinter ihnen liegende Grotte – »... Tausammler herzustellen?«
Der Blick, den sie ihm zuwarf, als sie sich umdrehte, war voller Überraschung. »Hat man dir dort, wo du herkommst, denn gar nichts beigebracht?«
»Jedenfalls nichts über Tausammler.«
»Hai!« machte Harah. Aber dieses Wort sagte alles.
»Was also sind Tausammler?« fragte Paul hartnäckig.
»Wie glaubst du, sind die Büsche und Pflanzen, die wir draußen im Erg pflanzen, überlebensfähig?« fragte Harah. »Jede einzelne wird vorsichtig in eine kleine Vertiefung gesetzt, die wir vorher mit Chromoplastik ausfüllen. Das Licht färbt sie weiß. Man kann sie glitzern sehen, wenn man im Morgengrauen nach ihnen schaut und auf einem erhöhten Platz steht. Weiß reflektiert. Aber sobald der alte Vater Sonne von der Wüste weggeht, wird das Material in der Finsternis schwarz. Es kühlt sich rapide ab, und seine Oberfläche beschlägt sich mit Feuchtigkeit der Luft. Und diese Feuchtigkeit tropft nach unten und hält so die Pflanzen am Leben.«
»Tausammler«, murmelte Paul. Die simple Schönheit dieses Verfahrens faszinierte ihn.
»Ich werde um Jamis weinen, wenn die Zeit der Trauer gekommen ist«, fuhr Harah fort, als bewege sie seine Frage noch immer. »Er war ein guter Mann, aber auch hitzköpfig. Jamis war ein guter Versorger und hatte ein gutes Verhältnis zu den Kindern. Er hat nie einen Unterschied zwischen Geoffs Sohn, meinem Erstgeborenen, und seinem eigenen Jungen gemacht. In seinen Augen waren beide stets gleich.« Sie sah Paul an und maß ihn mit einem fragenden Blick. »Wirst du dich ebenso verhalten, Usul?«
»Das Problem betrifft uns nicht.«
»Aber falls ...«
»Harah!«
Der harte Klang seiner Stimme ließ sie zusammenzucken.
Sie kamen an einem anderen hellerleuchteten Raum vorbei, und Paul fragte: »Was wird hier hergestellt?«
»Sie reparieren die Webstühle«, erklärte Harah. »Aber sie müssen noch heute nacht abgebaut werden.« Sie deutete auf einen zu ihrer Linken auftauchenden Tunnel. »Hier werden Lebensmittel verarbeitet und Destillanzüge repariert.« Sie schaute ihn an. »Dein Anzug sieht neu aus. Falls du einmal etwas daran zu reparieren haben solltest: ich kenne mich damit aus. In der Saison arbeite ich auch in der Fabrik.«
Sie begegneten nun
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