Dune 01: Der Wüstenplanet
schreckliche Ziel, das rassische Unterbewußtsein. Und über alldem loderte der Djihad in seiner blutigsten und wildesten Form.
Chani verließ das Zelt ebenfalls, reckte sich und sah ihn aus den Augenwinkeln an, wie sie es immer tat, wenn sie herauszufinden versuchte, in welcher geistigen Verfassung Paul sich befand.
»Erzähle mir noch einmal von den Wassern deines Heimatplaneten, Usul«, sagte sie plötzlich.
Natürlich wollte sie ihn ablenken. Sie versuchte, sein Bewußtsein vor dem großen Test aus seiner inneren Spannung zu befreien. Es wurde jetzt immer heller, und Paul bemerkte, daß einige seiner Fedaykin bereits begannen, ihre Zelte abzubrechen.
»Ich würde lieber etwas über den Sietch und unseren Sohn erfahren«, erwiderte Paul. »Wickelt er meine Mutter schon um den Finger?«
»Nicht nur sie, sondern auch Alia«, sagte Chani. »Er wächst sehr rasch. Es wird einmal ein großer Mann aus ihm werden.«
»Wie ist es dort unten im Süden?« fragte Paul.
»Wenn du den Bringer reitest, wirst du es selbst sehen.«
»Aber ich möchte das Land vorher durch deine Augen sehen.«
»Es ist unglaublich einsam«, sagte Chani.
Paul berührte den Nezhoni-Schal, der, um ihren Kopf gewickelt, unter der Kapuze hervorragte. »Warum willst du mir nichts über den Sietch erzählen?«
»Ich habe dir bereits davon erzählt. Der Sietch ist ein Ort der Einsamkeit ohne unsere Männer. Er ist ein Arbeitsplatz. Wir gehen in den Fabriken unserer Arbeit nach und in den Töpfereien. Wir haben Waffen zu fertigen, Pfähle zu stecken, damit wir das Wetter voraussagen können, und Gewürz zu sammeln, das wir zur Bestechung brauchen. Wir haben Dünen zu befestigen, damit sie größer werden und verankert werden können. Wir stellen Stoffe und Decken her und trainieren die Kinder, damit der Stamm seine Stärke niemals verliert.«
»Gibt es denn überhaupt nichts, was euch im Sietch erfreut?«
»Die Kinder erfreuen uns. Wir gehorchen den Riten. Wir haben genügend Nahrung. Manchmal geht eine von uns nach Norden, um bei ihrem Mann zu sein. Das Leben muß weitergehen.«
»Meine Schwester Alia – wird sie schon von den Leuten akzeptiert?«
Im anwachsenden Morgenlicht wandte sich Chani ihm zu. Sie maß ihn mit einem durchdringenden Blick. »Das ist eine Sache, die wir ein anderesmal diskutieren sollten, Geliebter.«
»Laß uns jetzt darüber sprechen.«
»Du solltest deine Energie für die Prüfung sparen«, erwiderte sie.
Paul sah ein, daß er etwas berührt hatte, was er nicht hätte berühren sollen. Aus Chanis Stimme klang der Rückzug. »Das Unbekannte«, sagte er, »bringt seine eigenen Sorgen mit sich.«
Chani nickte plötzlich und sagte: »Es gibt ... hier und da Mißverständnisse wegen Alias ... Andersartigkeit. Die Frauen fürchten sich, weil sie nicht wie ein ... Kind redet ... daß sie über Sachen spricht, die normalerweise nur Erwachsene wissen können. Sie verstehen nicht, daß Alia verändert wurde, als sie noch im Mutterleib war.«
»Gibt es Schwierigkeiten?« fragte Paul. Und er dachte: Ich habe Visionen gehabt, die davon kündeten, daß es Schwierigkeiten mit Alia geben wird.
Chani warf einen Blick auf den langsam wachsenden Strahl des Sonnenlichts über dem Horizont. »Einige der Frauen schlossen sich zusammen und schickten eine Abordnung zur Ehrwürdigen Mutter. Sie verlangten von ihr, den Dämon aus ihrer Tochter zu vertreiben. Sie zitierten dabei aus der Schrift: ›Erlaubt es keiner Hexe, unter uns zu leben.‹«
»Und was hat meine Mutter darauf erwidert?«
»Sie rezitierte das Gesetz und schickte die Frauen beschämt zurück. Sie sagte: ›Wenn Alia Schwierigkeiten provoziert, ist das die Schuld der Autorität, die nicht vorhergesehen hat, was auf uns zukommt, und keine Gegenmaßnahmen ergriff.‹ Und sie versuchte ihnen zu erklären, wie die Veränderung Alias im Mutterleib zustande gekommen ist. Aber die Frauen waren wütend, weil sie sie beschämt hatte, und verließen sie unter Unmutsäußerungen.«
Es wird noch mehr Ärger wegen Alia geben, dachte Paul.
Ein Windstoß warf ihm Sandkörner ins Gesicht, die den Duft der Vorgewürzmasse mit sich brachten. »El Sayal, der Sandregen, der den Morgen ankündigt«, murmelte er.
Paul schaute über die im Morgengrauen daliegende Landschaft hinweg. Es war eine Landschaft ohne Gefühle, der Sand eine Form, die sich selbst absorbierte. Ein trockener Blitz leuchtete im Süden auf – ein Zeichen, daß sich dort ein statischer Sturm entwickelte. Der Donner
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