Dune 01: Der Wüstenplanet
erwiderte Paul lächelnd.
»Du nennst mich den Wüstenfrühling«, sagte Chani. »Aber am heutigen Tag bin ich deine Wächterin. Ich bin die Sayyadina, die darauf achtet, daß die Regeln befolgt werden.«
Paul begann seinen Destillanzug zu justieren. »Du hast mir einst die Worte des Kitab al-Ibar gesagt«, bemerkte er. »Und zwar: ›Die Frau ist dein Acker. Gehe hin und befruchte ihn.‹«
»Ich bin die Mutter deines Erstgeborenen«, bestätigte sie.
Er sah, wie sie ihn im Grau des Morgens beobachtete, seine Bewegungen registrierte und ihren eigenen Destillanzug darauf einstellte, bald selbst in ihm hinauszugehen. »Du solltest dir alle Ruhe gönnen, die du bekommen kannst«, sagte sie.
Paul erkannte die Liebe zu ihm, die aus diesen Worten sprach, und erwiderte sanft: »Die Sayyadina der Wache darf den Kandidaten weder mit guten Ratschlägen versorgen noch ihn vor etwas warnen.«
Sie schlüpfte an seine Seite und berührte mit der Hand seine Wange. »Heute bin ich beides: Frau und Wächterin zugleich.«
»Du hättest diese Pflicht jemand anderem überlassen sollen«, meinte Paul.
»Das würde die Wartezeit noch unerträglicher machen«, gab sie zurück. »So bin ich wenigstens an deiner Seite.«
Bevor er seinen Gesichtsschleier zurechtlegte, küßte Paul ihre Hand. Dann wandte er sich um und brach das Zeltsiegel. Die Luft drang zu ihnen herein, sie enthielt jene gewisse Art der Kälte, die darauf hindeutete, daß sich in den Tausammlern einiges an Feuchtigkeit gefangen haben mußte. Mit ihr kam der Geruch der Vorgewürzmasse, die sie im Nordosten entdeckt hatten und die darauf schließen ließ, daß sich ein Bringer in der Nähe aufhielt.
Paul kroch durch die doppelte Öffnung, richtete sich im Sand auf und reckte sich. Ein matter, grüner Perlenglanz erleuchtete den östlichen Horizont. Die Zelte seiner Leute erschienen wie winzige Dünen um ihn herum. Linkerhand registrierte er eine Bewegung – die Wache. Sie hatte ihn bereits gesehen.
Sie wußten von der Gefahr, der er heute in die Augen schauen mußte. Jeder Fremen hatte dies hinter sich gebracht. Und daß sie ihn in diesen Minuten allein ließen, bedeutete, daß sie ihm alle Unterstützung gaben, sich vor diesem entscheidenden Ereignis noch einmal zu sammeln.
Heute wird es geschehen, dachte Paul.
Er dachte über das Anwachsen der Macht nach, die ihm während der ständigen Pogrome zugefallen war, an die alten Männer, die ihre Söhne zu ihm schickten, damit er sie in der Kunst des Zauberkampfes unterrichtete, die er beherrschte, an die alten Männer bei den Versammlungen, die ihm zuhörten und versuchten, seinen Plänen zu folgen, an die Männer, die aus einer Schlacht zurückkehrten und ihm das höchste Kompliment spendeten, was ein Fremen abgeben konnte: »Dein Plan war erfolgreich, Muad'dib.«
Und dennoch war ihm selbst der kleinste und gemeinste Fremen in einer Beziehung weit voraus. Paul wußte, daß sein Führungsanspruch unter dieser allgemein bekannten Tatsache litt.
Er hatte noch keinen Bringer geritten.
Oh, natürlich hatte er schon zusammen mit anderen auf dem Rücken eines Sandwurms gestanden, auf kurzen Reisen oder vereinzelten Überfällen – aber er hatte noch keine eigene Reise gemacht. Und solange er das nicht vollbracht hatte, war er von den Fähigkeiten der anderen abhängig. Kein wirklicher Wüstenbewohner konnte das auf sich sitzen lassen. Wenn er diese Prüfung nicht ablegte, blieb ihm sogar das Land im Süden verschlossen – es sei denn, er legte den Weg dorthin zurück, indem er sich eine Sänfte kommen – wie es die Ehrwürdige Mutter tat – oder sich wie ein Kranker oder Verwundeter transportieren ließ.
Paul dachte an den Kampf, den er in der Nacht mit seinem Unterbewußtsein geführt hatte. Irgendwie glaubte er darin eine seltsame Parallele zu erkennen. Wenn er den Bringer besiegte, war sein Gesetz erfüllt; genauso wie er sein eigenes Unterbewußtsein besiegt hatte und in die Wirklichkeit zurückgekehrt war. Und trotzdem lag jenseits beider Fixpunkte ein nebelhaftes Gebiet. Es repräsentierte die Große Unruhe, die das ganze Universum in einen Wirbel zog.
Die unterschiedlichen Gesichtspunkte, in denen er das Universum begriff, jagten ihm Angst ein. Genauigkeit maß sich mit Ungenauigkeit. Er sah es in situ. Das Jetzt begann, kaum daß es geboren und dem Druck der Realität ausgesetzt war, sein eigenes Leben zu entwickeln, und wuchs unter dem Einfluß seiner eigenen subtilen Differenzen. Zurück blieb das
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