Dune 01: Der Wüstenplanet
leicht geklingelt, als sie ihm das Gesicht zuwandte.
»Chani, was hat das zu bedeuten?« hatte er gefragt.
»Ich habe einen erledigt, der vorhatte, dich zu einem Zweikampf herauszufordern, Usul.«
»Du hast ihn umgebracht? «
»Ja, aber vielleicht hätte ich ihn für Harah übriglassen sollen.«
Und Paul erinnerte sich an die Zustimmung in den Blicken der Umstehenden. Sogar Harah hatte gelacht.
»Aber er kam her, um mich zu fordern!«
»Du hast mir selbst die Zauberkräfte beigebracht, Usul.«
»Richtig, aber du solltest sie nicht dazu ...«
»Ich bin in der Wüste geboren worden, Usul. Ich weiß, wie man ein Crysmesser führt.«
Er unterdrückte seinen Ärger und versuchte sachlich zu bleiben. »All das mag ja stimmen, Chani, aber ...«
»Ich bin nicht mehr das Kind, das im Schein der Leuchtgloben den Sietch nach Skorpionen absucht, Usul. Ich spiele jetzt nicht mehr.«
Paul starrte sie an und registrierte den ungehaltenen Ton ihrer Worte.
»Er war deiner nicht würdig, Usul«, fuhr Chani fort. »Leute seines Schlages dürfen deine Meditationen nicht stören.« Sie kam näher, sah ihn aus den Augenwinkeln an und senkte ihre Stimme zu einem solchen Flüstern herab, damit nur er sie verstehen konnte. »Außerdem, Geliebter, wenn sich herumspricht, daß die Herausforderer in der Regel zuerst mir gegenüberstehen müssen, wird es weniger von ihnen geben.«
Ja, sagte sich Paul, das ist wirklich geschehen. Es war in der realen Vergangenheit. Und die Anzahl der Rauflustigen, die es einfach ausprobieren wollten, ob sie der Klinge Muad'dibs gewachsen waren, senkte sich daraufhin enorm.
Irgendwo, außerhalb der Traumwelt, in der er jetzt schwebte, bewegte sich etwas und gab den Schrei eines Nachtvogels von sich.
Ich träume, dachte Paul. Und es liegt an der Gewürzmahlzeit. Immer noch war das Gefühl des Alleinseins in ihm. Er fragte sich, ob es möglich war, daß sein Geist jene Ebene erreicht hatte, von der die Fremen glaubten, daß in ihr seine wahre Existenz lag – im Alam al-Mithal, der Welt, in der es keine Grenzen gab. Und er empfand Furcht bei dem Gedanken an einen solchen Ort, weil ein Ort ohne Grenzen auch bedeutete, daß es in ihm keinerlei Bezugspunkte gab. Man konnte sich in einer mythischen Landschaft nicht orientieren und sagen: »Ich bin ich, weil ich mich hier befinde.«
Seine Mutter hatte einmal gesagt: »Das Volk ist sich nicht einig, was es von dir halten soll.«
Ich muß aus diesem Traum erwachen, sagte Paul sich. Und auch dies war Wirklichkeit gewesen – diese Worte aus dem Mund seiner Mutter; der Lady Jessica, die nun die Ehrwürdige Mutter der Fremen darstellte.
Paul wußte, daß Jessica sich Sorgen über die religiöse Beziehung zwischen ihm und den Fremen machte. Sie konnte sich mit der Tatsache, daß die Leute – egal, ob sie in einem Sietch oder im Grabenland lebten – von ihrem Sohn als Ihm sprachen, nicht abfinden. Immer noch befragte sie alle Stämme, schickte ihre Spione aus, sammelte deren Antworten und versuchte, daraus ihre Erkenntnisse zu ziehen.
Sie hatte ihm ein Sprichwort der Bene Gesserit vorgehalten: »Wenn Religion und Politik unter der gleichen Fahne segeln, glauben die Menschen schnell, daß sich ihnen nichts mehr entgegenzustellen vermag. Sie ignorieren alle Hindernisse und streben immer schneller und schneller vorwärts – ohne dabei zu bedenken, daß jemand, der nur geradeaus schaut, alle Gefahren nicht sieht, die sich ihm von der Seite nähern.«
Paul erinnerte sich daran, im Quartier seiner Mutter gesessen zu haben, in der inneren Kammer, deren Wände mit Teppichen behangen waren, deren Oberfläche Szenen aus der fremenitischen Mythologie gezeigt hatten. Er hatte dagesessen und ihr zugehört und gleichzeitig die Art registriert, in der sie ihn beobachtete. Und das tat sie sogar mit gesenktem Blick. Ihr ovales Gesicht hatte einige Falten bekommen, um die Mundwinkel herum, aber ihr Haar erinnerte noch immer an polierte Bronze. Hinter der tiefblauen Färbung ihrer Augen hatte er noch immer einen grünen Glanz zu erkennen vermocht.
»Die Religion der Fremen ist einfach und doch praktikabel«, sagte er.
»Keine Religion ist simpel«, warnte sie ihn.
Aber Paul, der die hinter einem dichten Nebel verborgene Zukunft, die auf sie zukam, ahnte, reagierte mit offensichtlichem Ärger. Alles, was er sagen konnte, war: »Die Religion einigt unsere Kräfte. Das ist unser Mysterium.«
»Du treibst diese Entwicklung bewußt voran«, hatte sie ihm entgegengehalten.
Weitere Kostenlose Bücher