Dune 01: Der Wüstenplanet
entnommen. Man legte Wettertabellen an. Und aus diesen erfuhr Kynes, daß die Temperaturen zwischen dem nördlichen und südlichen siebzigsten Grad – ein ziemlich weitläufiges Gebiet – sich seit Jahrtausenden in dem Temperaturbereich zwischen 254 und 332 Grad Kelvin eingependelt hatten. Außerdem wies dieser Geländegürtel lange jahreszeitliche Perioden auf, während denen die Temperaturen zwischen 284 und 302 Grad Kelvin lagen. Er stellte somit eine wahre Goldgrube für terraformendes Leben dar, beziehungsweise konnte es darstellen, wenn es ihnen gelang, das Bewässerungsproblem zu lösen.
»Wann wird das sein?« fragten die Fremen. »Wie lange wird es dauern, bis Arrakis anfängt, sich zu einem Paradies zu entwickeln?«
Wie ein Lehrer, der Kindern das kleine Einmaleins beibringt, erwiderte Kynes: »Es wird zwischen dreihundert und fünfhundert Jahre erfordern.«
Ein anderes Volk hätte sicher vor Enttäuschung aufgeheult. Nicht so die Fremen, denen man die Geduld mit Peitschen eingebleut hatte. Es war ein wenig länger, als sie erwartet hatten, aber sie waren davon überzeugt, daß der gesegnete Tag irgendwann kommen würde. Also schnallten sie ihre Gürtel enger und machten sich wieder an die Arbeit. Irgendwie erschien ihnen das Unternehmen durch die lange Wartezeit sogar realistischer geworden zu sein.
Was ihnen Mühe machte, war weniger das fehlende Wasser als vielmehr das Problem ungenügender Luftfeuchtigkeit. Haustiere waren damals noch unbekannt, der Viehbestand nicht der Rede wert. Die Schmuggler verfügten zwar über domestizierte Wüstenesel (die sogenannten Kulonen), aber der Wasserpreis, den man für sie ausgeben mußte, erwies sich sogar dann noch als viel zu hoch, als man sie in eigens für sie angefertigte Destillanzüge steckte. Kynes erwog die Möglichkeit, Geräte einzusetzen, um dem einheimischen Fels Wasserstoff und Sauerstoff zu entziehen und die darin enthaltene Feuchtigkeit zu nutzen, aber die Energiekosten eines solchen Verfahrens waren für ihn unerschwinglich. Die Polkappen (die den Pyonen eine trügerische Sicherheit vermittelten, mit Wasser genügend versorgt zu sein) enthielten zu wenig für sein geheimes Projekt. Aber dann kam er auf die richtige Spur.
Man entdeckte größere Mengen Feuchtigkeit in den mittleren Höhen der Atmosphäre und bestimmten Winden. Da waren die primären Anhaltspunkte in der Lufthülle des Planeten, die zu 23 Prozent aus Sauerstoff, zu 75,4 Prozent aus Stickstoff und zu 0,23 Prozent aus Kohlendioxyd bestand, während der Rest Spuren anderer Gase darstellte. Und es gab eine seltene einheimische Wurzelpflanze, die oberhalb der 2500-Meter-Grenze in der nördlichen gemäßigten Zone wuchs. Ihre zwei Meter lange Wurzel enthielt in der Regel einen halben Liter Wasser. Und die Merkmale der terranischen Wüstengewächse: die zäheren zeigten Anzeichen von Gedeihen, sobald man sie in Mulden setzte, in denen sich Tauniederschläge sammeln konnten. Und dann fand Kynes die Salzpfanne.
Sein Thopter, der sich zwischen einigen Stationen weit draußen in der Bled aufhielt, weil er durch einen Sturm vom Kurs abgekommen war, überflog plötzlich eine riesige ovale Vertiefung mit einer Längsachse von dreihundert Kilometern. Es war eine weithin leuchtende, weiße Überraschung. Kynes landete und untersuchte die Oberfläche.
Salz!
Jetzt war er sicher.
Es hatte also einst offenes Wasser auf Arrakis gegeben. Kynes begann die Evidenz der ausgetrockneten Brunnen, die stets nur ein paar Tropfen Wasser abgaben und dann für immer versiegten, in einem völlig anderen Licht zu sehen. Nach seiner Rückkehr setzte er seine gesamten Fremen-Limnologen auf sie an: ihr Hauptfund bestand aus einigen lederartigen Fetzen, wie man sie manchmal nach einer Gewürzeruption vorfand. Diese Fetzen wurden in den Volksweisheiten der Fremen einer mythischen ›Sandforelle‹ zugeschrieben. Als die Tatsachen und ihre Zusammenhänge immer offensichtlicher wurden, entdeckte man eine Kreatur, die die Existenz der lederartigen Fetzen erklärte: ein Sandschwimmer, der bei Temperaturen unterhalb von 280 Grad Kelvin dafür sorgte, daß das Wasser sich in Taschen porösen Gesteins unter der Oberfläche sammelte.
Diese ›Wasserdiebe‹ starben bei jeder Gewürzeruption zu Millionen, und schon ein Temperaturumschwung von 5 Grad konnte sie töten. Die wenigen Überlebenden fielen in einen scheintodähnlichen Tiefschlaf, um sechs Jahre später daraus als drei Meter lange Sandwürmer hervorzugehen. Von
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