Dune 01: Der Wüstenplanet
den Fremen über Wasserprobleme, über die Dünen, die sich mit etwas Bewuchs verankern ließen, über Oasen und Dattelpalmen und offene Qanats, die einmal durch die Wüste fließen sollten. Er redete und redete und redete.
Währenddessen fand um ihn herum eine heimliche Debatte statt, von der Kynes nicht das geringste bemerkte. Was sollte man mit diesem Verrückten anfangen? Und jetzt kannte er auch schon den Standort des Sietch. Was war zu tun?
Und was sollte sein hanebüchenes Geschwätz über ein zukünftiges Paradies auf Arrakis?
»Laßt ihn doch reden.«
»Aber er weiß zuviel.«
»Er hat immerhin einige Leute der Harkonnens getötet.«
»Und was ist mit unserer Wasserschuld?«
»Haben wir etwa dem Imperium je etwas geschuldet?«
»Er hat einige Harkonnens umgebracht.«
»Pah! Als ob das nicht jeder von uns könnte.«
»Was soll das Gerede von der Bewässerung von Arrakis?«
»Woher will er das ganze Wasser denn nehmen?«
»Er hat behauptet, es sei genügend hier.«
»Immerhin hat er drei unserer Leute gerettet!«
»Ja, drei Dummköpfe, die sich selbst in die Hände der Harkonnens begaben!«
»Er hat ein Crysmesser gesehen!«
Natürlich war der Ausgang der Debatte bereits vier Stunden vor ihrem Ende festgelegt. Ein erfahrener Kämpfer wurde ausgewählt, erhielt ein geweihtes Messer und ging auf Kynes zu, während zwei Wassermänner ihm folgten. Ihre Aufgabe war es, Kynes' Körper das Wasser zu entnehmen. Eine brutale Notwendigkeit.
Es ist zweifelhaft, ob Kynes seinen designierten Henker je bewußt bemerkte. Er sprach gerade zu einer ihn umlagernden Gruppe von Männern, die einen gewissen Sicherheitsabstand einhielten, und bewegte sich dabei so, wie er redete: unstet, gestikulierend, hin und her gehend. »Offenes Wasser«, erklärte er. »Und wir brauchen dann keine Destillanzüge mehr. Stellt euch Seen vor, in denen man schwimmen kann! Und Portyguls!«
Der Henker baute sich vor ihm auf.
»Aus dem Weg«, sagte Kynes kurz und geistesabwesend und redete weiter über seine mysteriösen Windfallen. Er überging seinen Henker einfach, ignorierte ihn und drehte ihm statt dessen für den zeremoniellen Stoß den Rücken zu.
Was in diesem Augenblick im Kopf des Henkers vorging, konnte niemand erraten. Hatte er Kynes zugehört und seinen Worten schließlich doch Glauben geschenkt? Wer weiß? Aber seine Reaktion und sein Schicksal sind überliefert. Der Name des Mannes war Uliet, was ›der ältere Liet‹ bedeutet. Uliet ging drei Schritte zurück, stolperte und stürzte in sein eigenes Messer.
Hatte er sich Kynes' Anweisung gemäß damit »aus dem Weg« geschafft? War es Selbstmord? Viele glaubten, Shai-Hulud habe ihn gelenkt. Für die anderen war sein Schicksal ein Omen.
Von diesem Tag an brauchte Kynes nur noch die Hand auszustrecken und zu sagen: »Geht dorthin.« Und ganze Fremenstämme gingen. Auch wenn die Männer, Frauen und Kinder unterwegs starben – sie gingen.
Kynes kehrte an seine Arbeit zurück und baute die biologischen Teststationen auf. Bald darauf befanden sich die ersten Fremen unter seinem Stationspersonal. Sie lernten rasch, sahen einander bei der Arbeit zu und unterwanderten auf diese Weise das ›System‹. Sie nutzten damit eine Möglichkeit zum Lernen aus – und das war etwas, was ihnen vorher niemals in den Sinn gekommen wäre. Nach und nach verschwanden auch verschiedene Stationswerkzeuge in ihren Sietchs: spezielle Schneidstrahler hauptsächlich, die sie dazu benutzten, unterirdische Auffangbecken und versteckte Windfallen anzulegen. Und in den Becken begann sich das Wasser allmählich anzusammeln.
Den Fremen war klargeworden, daß Kynes keinesfalls ein Irrer war, sondern in seinem Wahn eher den Heiligen zugerechnet werden mußte. Er war für sie ein Umma, ein Angehöriger der Bruderschaft der Heiligen Propheten. Mithin war der Schatten Uliets ebenfalls in die Reihen der Heiligen Richter aufgenommen worden.
Kynes, der – direkt und versessen, wie er war – wußte, daß konzentriertes Recherchieren aller die Garantie dafür war, nichts elementar Neues zu produzieren, organisierte aus dem Reservoir seiner neuen Mitarbeiter kleine Experimentalteams und ließ jede dieser Einheiten nach einem eigenen Weg suchen. Es gab Millionen und Abermillionen kleiner und kleinster Fakten zu sammeln, die man anschließend den härtesten Prüfungsverfahren unterwarf. Zuerst mußten die größten Schwierigkeiten herausgefunden und katalogisiert werden.
Der Bled wurden Sandproben
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