Dune 01: Der Wüstenplanet
den Linien um seine Augen und den Zügen seines Gesichtsschnitts sah sie sich selbst, wenngleich sich eine gewisse Ähnlichkeit mit seinem Vater nicht verleugnen ließ.
Sein Aussehen erschien Jessica wie die Essenz einer ganzen Reihe zufälliger Gegebenheiten. Sie konnte sich nur mit aller Gewalt dagegen wehren, neben dem Bett auf die Knie zu fallen und ihr schlafendes Kind zu umarmen. Lautlos ging sie zurück und schloß sanft die Tür.
Yueh, unfähig mit anzusehen, mit welcher Hingabe Jessica ihren Sohn betrachtete, hatte sich wieder ans Fenster zurückgezogen. Warum hat Wanna mir niemals Kinder geboren? fragte er sich. Als Arzt habe ich immer gewußt, daß es keinen physischen Grund dafür gab. Oder steckten irgendwelche Motive der Bene Gesserit dahinter? Hatte man Wanna möglicherweise dazu auserkoren, einem anderen Zweck zu dienen? Und wenn ja, welchem? Dabei hat sie mich ganz sicher geliebt.
Zum erstenmal übermannte ihn die Vorstellung, daß er nur als Werkzeug benutzt wurde; daß er den Bauern in einem kosmischen Schachspiel darstellte, eine Figur, derer man sich zur Erreichung solch hoher Ziele bediente, daß er sie sich nicht einmal vorzustellen vermochte.
Jessica blieb neben ihm stehen und sagte: »Welch tiefe Unschuld ist doch im Schlaf eines Kindes.«
Mechanisch erwiderte Yueh: »Könnten sich doch auch Erwachsene in einer solchen Weise ausruhen.«
»Ja.«
»Ich frage mich, auf welche Art wir diese Unschuld verloren haben«, murmelte Yueh.
Jessica sah ihn von der Seite an. Sie bemerkte den fatalistischen Tonfall sehr wohl, aber noch immer waren ihre Gedanken bei Paul und der Ausbildung und dem Unterschied, dem sein Leben hier unterworfen sein würde. Sein zukünftiges Leben würde sich radikal von dem unterscheiden, das sie einst für ihn geplant hatte.
»Wir werden in der Tat einiges verlieren«, sagte sie.
Sie sah auf einen Abhang hinaus, der sich zu ihrer Rechten befand. Auf ihm wuchs ein Gewirr von windzerzausten graugrünen Büschen mit staubbedeckten Zweigen und vertrocknet aussehenden Blättern. Der finstere Himmel hing über der Szenerie wie ein Farbklecks. Das milchige Licht der Sonne Canopus gab ihnen einen silbrigen Ton, ähnlich der Farbe des Crysmessers unter ihrem Gewand.
»Der Himmel ist so dunkel«, sagte sie.
»Es liegt an der mangelnden Luftfeuchtigkeit«, erklärte Yueh.
»Wasser!« stieß Jessica hervor. »Jeder Mangel auf dieser Welt läßt sich auf die Wasserknappheit zurückführen!«
»Das köstliche Geheimnis Arrakis'.«
»Und warum gibt es so wenig? Es gibt Vulkangestein hier, und selbst ich könnte Ihnen ein Dutzend potentieller Energiequellen aufzählen. Es gibt Polareis. Angeblich kann man in der Wüste keine Bohrungen vornehmen, da die Stürme und Sandbewegungen die Ausrüstung schneller zerstören, als man sie installieren kann, wenn man nicht vorher den Würmern zum Opfer fällt. Aber man hat ohnedies niemals Wasseradern gefunden. Das Geheimnis, Wellington, das wirkliche Geheimnis bergen die Brunnen, die man in den Senken und Wüstenbecken angelegt hat. Haben Sie davon gehört?«
»Sie gaben einen Wasserstrahl von sich. Dann kam nichts mehr«, erwiderte er.
»Und genau das ist das wirkliche Geheimnis, Wellington. Es hat einst Wasser hier gegeben. Dann versiegte es. Gräbt man einen Brunnen in unmittelbarer Nähe des ersten, kommt man zum gleichen Ergebnis: ein Strahl und dann ist es aus. Hat das eigentlich noch nie einen Menschen neugierig gemacht?«
»Merkwürdige Sache«, meinte Wellington. »Vermuten Sie dahinter irgendeine Wesenheit? Hätte sich das nicht irgendwie aus dem Bohrschlamm nachweisen lassen müssen?«
»Was hätte dabei an Auffallendem herauskommen sollen? Pflanzengewebe? Oder tierisches Leben? Wer würde es denn überhaupt als Einflußfaktor erkennen?« Sie wandte sich wieder den Büschen zu. »Das Wasser hört einfach zu fließen auf, irgend etwas hält es zurück. Das ist jedenfalls meine Meinung.«
»Vielleicht sind die Ursachen dieses Phänomens längst bekannt«, gab Yueh zu bedenken. »Die Harkonnens haben uns zahlreiche Informationsquellen über diesen Planeten versperrt. Vielleicht hatten sie einen Grund dafür, uns im Dunkeln tappen zu lassen.«
»Und welchen?« fragte Jessica. »Dann ist da noch das Phänomen der Luftfeuchtigkeit. Praktisch nicht vorhanden, zumindest nicht in meßbaren Mengen, aber sie ist die wichtigste Wasserquelle. Die Feuchtigkeit der Luft wird in Wasserfallen und Verdunstern aufgefangen. Die Frage aber
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