Dune 01: Der Wüstenplanet
Ornithopter.«
Paul hatte ihn eine kurze Weile mit einem Feldstecher beobachtet und schon dabei waren ihm die hohe Stirn und der Strenge ausdrückende Mund des Besuchers aufgefallen. Und Halleck hatte in Pauls Ohr geflüstert: »Ein seltsamer Kerl. Er hat eine ungewöhnliche Ausdrucksweise und spricht beinahe druckreif. Alles an ihm ist ohne Ecken und Kanten.«
Hinter ihnen hatte der Herzog gesagt: »Ein typischer Wissenschaftler.«
Jetzt, wo Paul Kynes nur wenige Schritte entfernt gegenüberstand, wurde er sich der Macht gewahr, die dieser Mann ausstrahlte. Er wirkte wie jemand von königlichem Blut, wie ein Mensch, der dazu geboren war, Befehle zu erteilen.
»Ich weiß, daß wir Ihnen dafür zu danken haben, daß Sie uns mit diesen Destillanzügen und Umhängen versorgten«, sagte der Herzog.
»Ich hoffe, sie erfüllen ihren Zweck, Mylord«, gab Kynes zurück. »Sie entstammen der Produktion der Fremen. Ich erhielt Ihre Körpermaße von Ihrem Mann Halleck.«
»Es hat mich ein wenig verwirrt, daß Sie uns nur unter der Bedingung, daß wir diese Kleidung tragen, in die Wüste hinaus begleiten wollten«, sagte der Herzog. »Es wäre kein Problem für uns gewesen, genügend Wasser mitzunehmen. Außerdem beabsichtigten wir sowieso nicht, länger draußen zu bleiben. Und einen Schutz aus der Luft haben wir auch. Sehen Sie die Eskorte dort hinten? Es ist ziemlich unwahrscheinlich, daß wir ... daß uns etwas Unvorhergesehenes zur Landung zwingt.«
Kynes starrte ihn an. Sein ganz besonderes Augenmerk richtete er dabei auf die im Gegensatz zu allen anderen Bewohnern von Arrakis nicht vertrocknet wirkende Haut des Herzogs.
Kalt erwiderte er: »Auf Arrakis sprechen Sie besser nicht von Wahrscheinlichkeiten. Das einzige, was hier zählt, sind Möglichkeiten.«
Hallecks Gestalt versteifte sich. »Sie haben den Herzog mit ›Mylord‹ oder ›Sire‹ anzureden!«
Leto gab Halleck einen heimlichen Wink, um ihn zum Verstummen zu bringen und sagte: »Was uns anbetrifft, so sind wir ziemlich unerfahren, Gurney. Wir müssen unsere Erfahrungen schon selber machen.«
»Wie Sie meinen, Sire.«
»Wir stehen in Ihrer Schuld, Dr. Kynes«, wiederholte Leto. »Und wir werden uns an Ihre Freundlichkeit zu erinnern wissen.«
Wie von selbst schien ein Zitat aus der O.-K.-Bibel in Pauls Gedächtnis auf. Er sagte: »Die Gabe ist ein Segen für den Gebenden.«
In der herrschenden Stille klangen seine Worte lauter, als er beabsichtigt hatte. Die Leibwächter, die Kynes mitgebracht hatte und die sich bisher im Schatten des Verwaltungsbaus aufgehalten hatten, sprangen plötzlich auf und begannen mit einer erregt wirkenden Diskussion. Einer der Männer rief laut: »Lisan al-Gaib!«
Kynes wirbelte herum, gab ihnen ein wütendes Handzeichen und scheuchte die Männer davon. Sie zogen sich wieder in den Gebäudeschatten zurück, murmelten unverständliche Worte und verschwanden hinter der nächsten Ecke.
»Sehr interessant«, stellte Leto fest.
Kynes starrte ihn und Paul mit einem kalten Blick an und erwiderte: »Die meisten dieser Wüstenleute sind ungeheuer abergläubisch. Sie sollten nicht darauf achten. Jedenfalls sind sie nicht gefährlich.« Und insgeheim fielen ihm wieder die Worte aus der Legende ein: »Sie werden dich mit heiligen Worten begrüßen, und ihre Gaben werden ein Segen sein.«
Letos Einschätzung von Kynes (die auf einem kurzen mündlichen Bericht Hawats basierte, der voll von Mißtrauen gewesen war) kristallisierte sich plötzlich zu einer Erkenntnis: dieser Mann war ein Fremen. Er war mit einer Fremen-Eskorte angekommen, was natürlich auch nur bedeuten konnte, daß die Fremen den Versuch unternehmen wollten, die neue Art von Freiheit dadurch einem Test zu unterziehen, daß sie ihren Fuß auf bisher verbotene Gebiete setzten. Aber die Eskorte hatte eher wie eine Ehrengarde gewirkt. Und auf seine Art war Kynes ein stolzer Mann, das freie Leben gewöhnt und kompromißlos das aussprechend, was er für richtig hielt.
Kynes war zu einem Eingeborenen geworden.
»Sollten wir nicht aufbrechen, Sire?« fragte Halleck.
Der Herzog nickte. »Ich werde meinen Thopter selbst fliegen. Kynes kann neben mir Platz nehmen, um mir die Richtung zu weisen. Du und Paul gehen nach hinten.«
»Einen Moment bitte«, warf Kynes ein. »Mit Ihrer Erlaubnis, Sire, werde ich zuvor die Funktion unserer Anzüge prüfen.«
Obwohl der Herzog etwas erwidern wollte, fiel Kynes ihm ins Wort: »Das soll nicht nur Ihrer, sondern auch meiner
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