Dune 02: Der Herr des Wüstenplaneten
niedrigen Tisches zur Rechten.
Paul nickte der nicht entstellten Hälfte von Otheyms Gesicht zu und sagte: »Glück dir und deiner Wohnung.« Es war die Begrüßung eines alten Freundes und Sietchgenossen.
»So sehe ich dich noch einmal, Usul.«
Die Stimme, die seinen Fremennamen aussprach, war zitterig und fistelnd vom Alter. Das stumpfe Triefauge auf der Narbenseite des Gesichts bewegte sich über dem Pergament von Haut und Narben. Die grauen Bartstoppeln um Mund und Kinn zuckten, und als Otheym den Mund öffnete und Metallzähne entblößte, zuckten auch seine dünnen Lippen eine Weile hilflos, bevor er sprechen konnte.
»Muad'dib hört immer auf den Ruf eines Stammesbruders«, sagte Paul, um ihm über die Schwierigkeiten hinwegzuhelfen.
Die Frau im dunklen Durchgang regte sich und sagte: »So behauptet Stilgar.«
Sie stand auf und kam in den Lichtschein, eine ältere Version des Mädchens, das der Verwandlungskünstler kopiert hatte. Paul erinnerte sich vage, daß Otheym verheiratete Schwestern hatte. Ihr Haar war eisengrau, und die Nase war mit dem Alter lang und spitz geworden. Ihre Zeigefinger und Daumen wiesen die Schwielen der Webstuhlarbeit auf. In den alten Tagen hätte die Frau eines Fremen solche Schwielen mit Stolz vorgezeigt, aber als sie jetzt sah, daß er ihre Hände betrachtete, versteckte sie sie in den weiten Falten ihres verblaßten blauen Gewands.
Paul erinnerte sich an ihren Namen – Dhuri. Der Schock war, daß seine Erinnerung sie als ein Kind kannte, nicht wie sie in seiner Vision dieser Augenblicke gewesen war. Es war der winselnde Tonfall ihrer Stimme, sagte er sich. Schon als Kind hatte sie ihn gehabt.
»Du siehst mich hier, Dhuri«, sagte Paul. »Wäre ich hier, wenn Stilgar es nicht gebilligt hätte?« Er wandte sich Otheym zu. »Ich trage deine Wasserlast, Otheym. Befiehl mir.«
Dies war die direkte, aufrichtige Sprache von Stammesbrüdern. Otheym nickte zittrig, aber schon das war für den dünnen Hals beinahe zuviel. Er hob eine braunfleckige Hand und zeigte auf die Ruine seines Gesichts. »Ich holte mir diese Spaltkrankheit auf Tarahell, Usul«, schnaufte er. »Gleich nach dem Sieg, wo wir alle ...« Ein Hustenanfall unterbrach ihn.
»Der Stamm wird bald sein Wasser sammeln«, sagte Dhuri. Sie trat zu Otheym, stopfte ein weiteres Kissen hinter seinen Rücken und hielt seine Stirn, bis der Hustenanfall vorüber war. Sie war nicht wirklich sehr alt, sah Paul, aber ein Ausdruck verlorener Hoffnungen hatte sich um ihren Mund eingegraben, und Bitterkeit wohnte in ihren Augen.
»Ich werde Ärzte schicken«, versprach Paul.
Dhuri wandte sich halb nach ihm um, eine Hand an der Hüfte. »Wir hatten Ärzte hier, die besten.« Und sie blickte unwillkürlich auf die nackte Wand neben sich.
Und die Ärzte waren teuer, dachte Paul.
Er war nervös, eingeengt von der Vision, war sich aber bewußt, daß das Geschehen in unbedeutenden Einzelheiten von seiner Vision abwich. Wie konnte er diese Abweichungen für sich nutzbar machen? Die Zeit kam mit feinen Veränderungen von ihrer Spule, aber das Gewebe des Hintergrunds blieb von bedrückender Gleichheit. Er wußte mit bestürzender Gewißheit, daß, wenn er hier aus dem vorgegebenen Muster auszubrechen versuchte, daraus blutige Gewalttat entstehen würde. Die Macht in diesem täuschend sanften Dahinfließen der Zeit bedrückte ihn.
»Sagt, was ihr von mir wollt«, sagte er.
»Könnte es nicht sein, daß Otheym einen Freund braucht, der in dieser Zeit zu ihm steht?« fragte Dhuri. »Muß ein Stammesbruder sich Fremden anvertrauen?«
Ein neuer Hustenanfall schüttelte den alten Mann. Als er abgeflaut war, keuchte Otheym: »Es gibt Verrat, Usul. Männer aus unseren Reihen schmieden Komplotte gegen dich.« Sein Mund arbeitete weiter, aber es kam kein Geräusch mehr. Speichel rann aus seinem Mund. Dhuri wischte ihm die Lippen mit einem Zipfel ihres Gewands ab.
Paul sagte: »Was ich tun kann, werde ich tun.«
Er zwang sich zur Geduld, beobachtete die Frau, wie sie sich um Otheym bemühte. Daß ein Mann wie Otheym so enden mußte, enttäuscht und mißbraucht, ein hilfloses Wrack beinahe. Er hatte Besseres verdient.
»Das Mädchen sprach von einer Botschaft«, sagte Paul.
»Mein Zwerg«, schnaufte Otheym. »Ich kaufte ihn auf ... auf ... auf einer Welt ... ich vergesse. Er ist ein menschlicher Distrans, ein von den Tleilax weggeworfenes Spielzeug. Er hat alle Namen aufgenommen ... die Verräter ...«
Otheym verstummte. Seine Hände
Weitere Kostenlose Bücher