Dune 02: Der Herr des Wüstenplaneten
Fensterscheiben herabliefen. Abflußrohre leiteten das Wasser in einen Fluß, der mit lehmigen Wirbeln hinter dem Obstgarten der Familie vorbeiströmte ... Und die Bäume schüttelten ihre Kronen im Wind, daß Wasserschauer aus dem Laub prasselten.
Pauls Fuß versank in einer niedrigen Sandanwehung, und er war wieder in der sanddurchwehten Nacht dieser Gegenwart, wo der kalte Wind Staubwolken durch die Straßen blies und die Zukunft düster und höhnisch über ihm hing.
Unter seinen Stiefeln spürte er grobe Steinplatten. Er hatte sie in seiner Vision gesehen. Das schwarze Rechteck eines Eingangs tauchte zu seiner Rechten auf – schwarz in schwarz: Otheyms Haus, Behausung des Schicksals. Es war ein seltsamer Ort, um in die Geschichte einzugehen.
Auf sein Klopfen hin wurde die Tür geöffnet, und er blickte ins grünliche Licht eines Innenhofs. Ein Zwerg spähte heraus, ein altes Gesicht auf dem Körper eines Kindes, eine Erscheinung, die er in seiner Vision nicht gesehen hatte.
»Treten Sie ein«, sagte der Zwerg. Er machte den Eingang frei und unterstrich seine Einladung mit einer auffordernden Handbewegung. Nichts Ehrfürchtiges war in seinem Benehmen. Ein verschmitztes Lächeln spielte um seinen Mund.
Paul zögerte. In der Vision hatte es keinen Zwerg gegeben, aber alles andere war identisch. Visionen konnten solche Widersprüchlichkeiten enthalten, ohne ihren Wahrheitsgehalt zu verlieren. Aber dieses neue Element gab ihm Hoffnung. Er blickte hinauf zur gelblichen Perle seines Mondes, der hoch oben über der Straßenschlucht schwamm. Der Mond quälte ihn. Wie war er gefallen?
»Kommt«, drängte der Zwerg.
Paul trat ein und hörte die Tür hinter sich zufallen. Der Zwerg schob sich an ihm vorbei und ging voraus. Er hatte unverhältnismäßig große Füße, die auf den Boden klatschten, als er über die Steinfliesen ging. Er öffnete das hölzerne Gittertor zum überdachten Innenhof und zeigte hinein. »Sie warten, Herr.«
Herr, dachte Paul. Also kennt er mich.
Bevor Paul weiter über diese Entdeckung nachdenken konnte, schlüpfte der Zwerg durch einen Seitengang davon. Paul ging über den Innenhof, einen düsteren Ort mit trüber Beleuchtung, wo es nach Krankheit und Niederlage roch. Die Atmosphäre bedrückte ihn.
Aus einer schmalen Türöffnung auf der anderen Seite drang Lichtschein. Paul schüttelte die Gedanken an versteckte Beobachter und üble Gerüche ab und betrat den hellen Raum. Das Zimmer war klein und ziemlich kahl. Nur zwei Wände waren mit zerschlissenen Behängen bedeckt. Gegenüber der Tür saß ein Mann auf rotem Kissen unter dem besser erhaltenen Wandbehang. In einem dunklen Durchgang in der kahlen linken Wand kauerte eine weibliche Gestalt.
Paul fühlte sich in seiner Vision gefangen. So war es gewesen, genau so. Wo war der Zwerg? Wo war der Unterschied?
Seine Sinne nahmen den Raum in sich auf. Trotz der armseligen Möblierung war deutlich zu sehen, daß die Bewohner sich Mühe gegeben hatten, ihn für den Besucher wohnlich herzurichten. Haken an den nackten Wänden zeigten, wo Wandbehänge abgenommen worden waren. Pilger zahlten hohe Preise für die Volkskunst der Fremen, und echte Wandbehänge wurden von reichen Pilgern als Kunstschätze betrachtet, und wer es sich leisten konnte, brachte einen mit nach Hause, als ein Kennzeichen des gläubigen Hadj.
Auf einem schmalen Wandsims zu seiner Rechten stand eine Reihe gerahmter Porträts – überwiegend bärtige Kriegergestalten, einige in Destillanzügen, andere in Militäruniformen vor dem Hintergrund exotischer Welten. Die üblichste Hintergrundszenerie waren Meeresansichten.
Der alte Mann auf den Polstern räusperte sich und zwang Paul so, ihn anzusehen. Es war derselbe Otheym, den die Vision offenbart hatte: einen vogelhaft faltig und dünn gewordenen Hals, der zu schwach schien, den großen Kopf zu tragen: ein schiefes Gesicht von ruinenhaftem Aussehen – die linke Hälfte narbenbedeckt, mit einem stark nässenden Triefauge, die rechte Hälfte lederig und gefurcht, aber von Narben frei und mit klarem, geradem Blick; eine lange Keilnase, die das Gesicht spaltete; ein schütterer weißer Zigeunerbart unter dem schmalen Kinn.
Otheyms Sitzkissen lag in der Mitte eines fadenscheinigen Teppichs aus brauner, roter und gelber Wolle. Das Kissen selbst war abgenutzt und geflickt, aber alle Metallgegenstände im Raum waren frisch poliert und schimmerten – die Rahmen der Porträts, die Halter des Regals, die geschwungenen Beine des
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