Dune 02: Der Herr des Wüstenplaneten
stand für ein Stück Arrakis. Es war kein gutes Zeichen, diese oppositionelle Haltung so einflußreicher Männer.
Alia trommelte mit den Fingern auf die Tischplatte. Stilgar, dem deutlich anzusehen war, wie sehr ihm diese Konfrontation mißfiel, setzte sich an die rechte Schmalseite des Richtertisches. Links nahm der Protokollführer seinen Platz ein.
Alia erklärte die Verhandlung für eröffnet.
Sofort erwachte Korba aus seiner Lethargie und sagte: »Ich bin unschuldig und protestiere gegen meine Behandlung und dieses Verfahren.«
»Stilgar, verlesen Sie die Anklage«, sagte Alia.
Stilgar zog eine braune Papierrolle aus der Tasche, stand auf und entrollte sie. Er begann mit trockener Stimme abzulesen.
»... daß Sie mit Verrätern konspirierten, um den Sturz unseres Herrn und Herrschers herbeizuführen; daß Sie in verabscheuungswürdiger Heimlichkeit mit verschiedenen Feinden des Herrscherhauses zusammentrafen; daß Sie ...«
Korba schüttelte mit einem Ausdruck von Zorn und Schmerz den Kopf.
Alia lauschte mit brütender Miene, das Kinn in die linke Hand gestützt, den anderen Arm ausgestreckt auf dem Tisch. Bruchstücke der formalen Prozedur fielen aus ihrem Bewußtsein, wurden von beunruhigenden Gedanken überlagert.
»... ehrwürdige Tradition ... unterstützt von den Legionen und allen patriotisch denkenden Fremen ... Gewalt wird mit Gegengewalt beantwortet, wie das Gesetz es verlangt ... Unantastbarkeit.«
Es war Unsinn, dachte sie. Unsinn! Alles Unsinn ... Unsinn! »... der Person des Herrschers ... alle Rechte verwirkt ...«
Stilgar beendete die Verlesung der Anklageschrift und setzte sich. In der nachfolgenden Stille beugte Korba seinen Oberkörper vor und reckte den Hals, als wolle er aufspringen, seine dick geäderten Hände umklammerten seine Knie.
»Weder mit Worten noch mit Taten habe ich Verrat geübt oder gegen meinen Treueid verstoßen!« rief er. »Ich verlange eine Gegenüberstellung mit meinem Ankläger!«
Ein verständlicher Protest, dachte Alia.
Und sie sah, daß Korbas Antwort auf die Naibs nicht ohne Wirkung blieb. Sie kannten Korba. Er war einer der ihren. Wie sie war er zum Stammesführer gewählt worden, weil er Mut und Umsicht gezeigt hatte. Korba war nicht brillant, aber zuverlässig. Nicht einer, der einen Djihad führen konnte, vielleicht aber eine gute Wahl als Legionskommandeur oder Logistiker. Kein Kreuzfahrer, aber einer, der die Tradition hochhielt und dem das Stammeswohl oberstes Gesetz war.
Alia dachte an Otheyms bittere Worte, wie Paul sie ihr zitiert hatte. Jeder der Männer hier auf der Galerie konnte sich in Korbas Lage versetzen – der eine oder der andere vermutlich aus gutem Grund. Aber ein unschuldiger Naib war hier und jetzt so gefährlich wie ein schuldiger.
Korba fühlte das auch. »Wer beschuldigt mich?« verlangte er zu wissen. »Ich habe ein Recht, meinem Ankläger gegenübergestellt zu werden.«
»Vielleicht beschuldigen Sie sich selbst«, sagte Alia.
Ein Erschrecken, das er so schnell nicht maskieren konnte, ging über Korbas Gesicht. Jeder konnte es lesen: Bei ihrer Macht brauchte Alia nicht mehr zu tun als ihn selber zu beschuldigen. Sie brauchte nur zu sagen, daß sie die Beweise aus der Schattenwelt habe, dem Alam al-Mithal, und er wäre gerichtet.
»Unsere Feinde haben Verbündete unter den Unsrigen«, sagte Alia. »Bewässerungskanäle sind gesprengt worden, Wasserbehälter wurden zerstört und Pflanzungen vergiftet ...«
»Und nun haben sie einen Wurm aus der Wüste gestohlen und auf eine andere Welt gebracht!«
Die Stimme dieses Eindringlings war ihnen allen bekannt – Muad'dib. Paul kam durch dieselbe Tür, durch die Alia eingetreten war. Chani begleitete ihn. Sie blieb neben der Tür stehen, während Paul an Alias Seite kam.
»Herr?« sagte Stilgar, ohne in Pauls Gesicht zu sehen.
Paul richtete seine leeren Augenhöhlen auf die Galerie, dann auf Korba. »Was, Korba – keine Lobpreisungen?«
Auf der Galerie entstand Unruhe. Die Naibs redeten durcheinander, stachelten sich gegenseitig auf, und Paul vernahm Satzfetzen wie: »... Brauch für die Blinden ... wieder einführen ... in die Wüste ... Herausforderung ... Mißachtung der Tradition ...«
»Wer sagt, daß ich blind bin?« fragte Paul scharf. »Sie, Rajifiri? Ich sehe, Sie tragen heute Gold, aber dieses blaue Hemd darunter ist noch voll Straßenstaub. Sie waren schon immer unordentlich.«
Rajifiri machte eine abwehrende Geste, drei gespreizte Finger gegen böse
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