Dune 02,5 - Stürme des Wüstenplaneten
überraschend kalt an.
Jessica zapfte Wasser aus dem Vorratsbehälter der Todesdestille in ihren Kelch und wartete, während Duncan dasselbe für sich und Alia tat. Mit betonten Bewegungen füllte Jessica auch die Kelche für Gurney und Irulan. Als die Prinzessin zögerte, sagte Jessica klar vernehmlich: »Es ist Wasser, Irulan. Nichts weiter.«
»Das Wasser des bezwungenen Verräters.« Alia hob ihren Kelch. »Während der Feind Muad'dibs vergeht, stärkt sein Wasser unsere Lebensgeister und gibt uns Kraft.« Sie nahm einen tiefen Schluck.
»Bronso von Ix«, sagte Jessica und trank.
Irulan schauderte, als ihr plötzlich Jessicas Beweggründe klarwurden. Für sie war es keine Verurteilung, sondern ein Trunk auf ihn, eine Ehrenbezeugung, um sein mutiges, selbstloses Handeln und das schreckliche Opfer, das er für Paul und für das Erbe der Menschheit gebracht hatte, zu honorieren. In gewisser Weise war es das Gegenstück zu Jessicas hartem und notwendigem Urteil, das sie vor so vielen Jahren über die zehn leichtfertigen Rebellen auf Caladan verhängt hatte. Doch dies war kein Giftkelch, sondern lediglich Wasser ...
Irulan rang ihr Gefühl des Unbehagens nieder. Es ist Wasser. Die Flüssigkeit war warm und geschmacklos, destilliert, gefiltert, rein ... und kein bisschen durstlöschend. Aber sie trank sie, um Bronso zu ehren, ganz wie es Jessicas Absicht war.
Danach befahl Alia, das restliche Wasser des Verräters unter den höchstrangigen Angehörigen der Priesterschaft zu verteilen, als eine Art Abendmahl.
Als sich die Massen im Anschluss an das Hinrichtungsspektakel zerstreuten, kam es zu einem Aufruhr in den Straßen. Mit großem Trara sprang und wirbelte eine Gruppe Akrobaten umher und flog mit Suspensorgürteln hoch in die Luft, um dort Tricks vorzuführen. Die Leute lachten und applaudierten in fröhlicher Stimmung, die kaum durch das Blut des Mannes gemindert wurde, den sie soeben hatten sterben sehen.
»Jongleurs!«, rief jemand. Jessica sah sie kommen, beobachtete, wie sie die Menge als Sprungbrett benutzten. Bewegliche Akrobaten, die aus elastischem Material zu bestehen schienen, umhertollten und tanzten und flogen und sich dichter an die Plattform heranbewegten, wobei ihre Darbietung gleichermaßen der Menge wie den hochgestellten Zuschauern galt.
Ein eleganter Mann in einem erstaunlichen weißen Kostüm lief vor ihnen her. Er blieb in stolzer Haltung stehen, hob eine Hand und rief: »Ich bin Rheinvar der Großartige, und wir sind gekommen, um zu Ehren Paul Muad'dibs vor Ihnen zu spielen!« Mit einer großzügigen Geste streckte er beide Arme zur Plattform aus. »Und natürlich, um die Regentin Alia zu ehren, die Prinzessin Irulan und die liebreizende Lady Jessica.«
Inmitten höflichen Applauses erinnerte sich Jessica an etwas, das Bronso einmal über Rheinvar gesagt hatte: Vieles hat sich verändert ... nur der Anschein bleibt gleich.
Die Würdenträger blieben, um zuzuschauen, wie die Jongleurs ihre Vorstellung beendeten. Dann wies Alia ihre Priester an, sie mit einer ansehnlichen Summe zu belohnen.
86
Du kannst dich nicht ewig vor deinem Kummer verstecken. Er findet dich im Wind, in deinen Träumen, in den kleinsten Dingen. Er wird dich finden.
Das Klagelied des Gholas
Die Festlichkeiten nach Bronsos Hinrichtung ließen Jessica das Herz noch schwerer werden. In dem Wissen, dass Alia ihre Anwesenheit erwartete, lächelnd und glücklich über ihren »Sieg«, ließ Jessica sich kurz blicken, gerade so lange, wie sie es aushielt. Doch als die vergnügliche Feier in der weitläufigen Zitadelle um sie herum lauter und rauer wurde, ertrug sie die Anspannung und die grimmige Abscheu, die sie im Grunde ihrer Seele empfand, nicht mehr.
Wie konnten nur alle fröhlich sein, wenn sich in ihrem Innern etwas so offenkundig falsch anfühlte? Sie musste allein sein.
Die Bene Gesserit hatten ihr bei ihrer Ausbildung die Regel eingebläut, dass man die Kontrolle über das wahren musste, was sie als persönliche Schwäche, als menschliche Schwäche betrachteten. Sie hielten sich für die Expertinnen in Sachen Menschlichkeit! Aber ihre Versuche, sie zu beherrschen – vom Verbot der Liebe bis zur Zucht eines Kwisatz Haderach –, waren regelmäßig gescheitert. Man konnte menschliche Wesen niemals völlig kontrollieren.
Wenn sie Jessica in diesem Moment hätten sehen können, hätten die Schwestern den erstaunlichen Erfolg bei der Disziplinierung ihrer Emotionen, die sie bereits seit der
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