Dune 03: Die Kinder des Wüstenplaneten
seinen Mund zu bedecken, aber Leto stellte etwas anderes fest: Seine Bewegungen hatten ihn, ohne daß er es bemerkt hatte, über den Qanat hinweg in den Canyon hineinbefördert, in dem der gefangene Wurm lebte. Dies war der zweite große Schritt auf den Goldenen Pfad zu. Irgend etwas zischte und bewegte sich auf ihn zu.
Leto sprang auf die Beine. Er beabsichtigte stehend abzuwarten, aber die plötzliche Bewegung warf ihn um glatte zwanzig Meter weiter in den Canyon hinein. Mit allergrößter Anstrengung brachte er seine Reaktionen unter Kontrolle, ging in die Hocke und straffte sich. Der vor ihm liegende Sand wurde aufgeworfen. Nur zwei Körperlängen von Leto entfernt öffnete sich ein Loch. Kristallene Zähne glitzerten im Mondlicht. Er sah die klaffende Mundhöhle des Wurms und tief in seinem Innern das Zucken einer matt leuchtenden Flamme. Ein ungeheurer Gewürzduft ging von dem Wurm aus, aber das Tier kam nicht näher. Es blieb auch dort, als der Erste Mond sich über den Berg erhob und seine Strahlen von den Zähnen des Monstrums zurückgeworfen wurden.
Die anerzogene Furcht der Fremen war so tief in Leto verwurzelt, daß er im ersten Moment von dem Impuls ergriffen wurde, er müsse fliehen. Aber es war die Vision, die schließlich dazu führte, daß er bewegungslos hocken blieb. Kein Mensch war je dem Maul eines lebenden Wurms derart nahe gewesen und hatte überlebt. Leto hob langsam ein Bein, berührte jedoch eine Sandaufschüttung und reagierte wieder zu schnell. Er flog auf das klaffende Maul zu, landete vor ihm auf den Knien.
Der Wurm bewegte sich noch immer nicht.
Er witterte die Sandforellenhaut, die Leto umgab. Schon allein deswegen würde er um keinen Zentimeter weiter vorrücken. Es hielt ihn zwar nichts davon ab, gegen jeden anderen Wurm, der sich in sein Territorium verirrte, vorzugehen, aber die Sandforellen und ihr feuchter Inhalt waren für ihn gleichbedeutend mit einer Wasserbarriere.
Leto streckte versuchsweise einen Arm in die Richtung des schreckenerregenden Mauls aus. Der Wurm zog sich einen vollen Meter zurück.
Das eigene Selbstbewußtsein wieder gestärkt, wandte sich Leto von dem Wurm ab und begann, seinen Muskeln die Möglichkeit ihrer neuen Stärke vorzuführen. Mit vorsichtigen Schritten ging er zum Qanat zurück, während der Wurm bewegungslos hinter ihm zurückblieb. Hinter die Wasserbarriere zurückgekehrt, sprang Leto vor Freude in die Luft, segelte zehn Meter weit über den Sand, breitete die Arme aus, drehte sich und lachte.
Licht fiel auf den Boden, als sich das Türsiegel der Hütte öffnete. Vor dem Hintergrund der Lampe tauchte Sabiha auf und hielt nach ihm Ausschau.
Lachend rannte Leto zurück, übersprang den Qanat, hielt vor dem Wurm an, drehte sich zu ihr um und breitete die Arme aus.
»Schau!« rief er. »Der Wurm befolgt mein Gebot!«
Noch während Sabiha vor Schreck erstarrt dastand, wirbelte er herum, schoß an dem Wurm vorbei in den Canyon hinein. Die Erfahrung hatte gezeigt, daß er, selbst wenn er sich nicht darum bemühte, ungeheuer schnell geworden war. Er brauchte sich nicht die geringste Mühe zu geben. Tat er dies doch, flog er mit einer solchen Schnelligkeit voran, daß der Wind an der freien Stelle seines Gesichts ein leichtes Brennen verursachte. Als er das Ende des Canyons erreichte, hielt Leto nicht an, sondern rannte mit Leichtigkeit die fünfzehn Meter hohe Steilwand hinauf, krabbelte geschickt weiter wie ein Insekt und erreichte schließlich den Gipfel, von dem aus er die Tancerouft überblicken konnte.
Vor ihm breitete sich die Wüste im Mondlicht aus; eine ungeheuer weitläufige, gewellte Ebene.
Die manische Erheiterung flaute ab.
Leto kniete sich hin und spürte, wie leicht sein Körper geworden war. Er war bedingt durch seine Bewegungen – von einem leichten Schweißfilm überzogen, den ein Destillanzug nach gewisser Zeit absorbiert hätte. Die neue Haut jedoch tat dies mit einer Schnelligkeit, die kein Destillanzug jemals zu erreichen vermochte. Leto rollte prüfend ein Stück Haut zusammen, schob es in seinen Mund und biß es ab. Ein süßer Geschmack legte sich auf seine Zunge.
Aber da sein Gesicht nicht maskiert war, spürte er mit den Sinnen eines echten Fremen, daß er mit jedem Atemausstoßen Flüssigkeit verlor. Er legte ein Hautstück über den Mund, zog es zurück, als es versuchte, seine Nasenlöcher zu verschließen und hielt es so, bis es den Versuch endlich aufgab. Dann befestigte er es wieder an seinem Platz. Es
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