Dune 03: Die Kinder des Wüstenplaneten
würde es schon merken?«
»Sie beobachten uns«, sagte Sabiha leise.
Leto schüttelte den Kopf, ließ sie aus seinen Visionen verschwinden und fühlte, wie eine neue Art der Freiheit ihn umgab. Es war sinnlos, einen Bauern zu töten. Sie tanzte zu der Musik anderer, kannte nicht einmal die richtigen Schritte und glaubte daran, daß sie einst die Macht teilen könnte, die sich die hungrigen Piraten von Shuloch und Jacurutu erhofften. Leto wandte sich dem Türsiegel zu und legte eine Hand darauf.
»Wenn Muriz kommt«, sagte Sabiha, »wird er sehr wütend mit ...«
»Muriz ist ein Krämer, der im Trüben fischt«, sagte Leto. »Meine Tante hat ihn in die Irre geleitet.«
Sabiha stand auf. »Ich gehe mit dir.«
Und Leto dachte: Sie erinnert sich daran, daß ich ihr einmal entkommen bin. Sie spürt deutlich, wie zerbrechlich ihre Gewalt über mich ist. Ihre Ahnungen geben ihr keine Ruhe. Dennoch würde sie nicht auf sie hören. Dabei brauchte sie sich nur zu fragen: Würde es ihm gelingen, einen gefangenen Wurm in seinem engen Canyon zu überlisten? Konnte er ohne Destillanzug oder Überlebenspack in der Tancerouft überleben?
»Ich muß allein sein, um meine Visionen zu befragen«, erklärte er. »Du bleibst hier.«
»Wohin gehst du?«
»Zum Qanat.«
»Die Sandforellen tauchen in der Nacht in Schwärmen auf.«
»Sie werden mich schon nicht fressen.«
»Manchmal kommt der Wurm ziemlich nahe an das Wasser heran«, sagte Sabiha. »Wenn du den Qanat überquerst ...« Sie brach ab, versuchte ihren Worten die nötige Bedrohlichkeit zu verleihen.
»Wie sollte ich ohne Haken einen Wurm besteigen können?« entgegnete Leto und fragte sich, ob von ihren eigenen Visionen überhaupt nichts übriggeblieben war.
»Wirst du nach deiner Rückkehr essen?« fragte Sabiha und kniete sich hin. Erneut begann sie die Brühe mit dem Löffel umzurühren.
»Alles zu seiner Zeit«, sagte Leto, wohl wissend, daß sie nicht dazu fähig war, den leisen Einfluß seiner stimmlichen Kraft zu bemerken, die versuchte, seine eigenen Wünsche zu einem Bestandteil von Sabihas Entscheidung zu machen.
»Muriz wird kommen und nachsehen, ob du eine Vision hattest«, warnte sie ihn.
»Mit Muriz werde ich schon fertig«, erwiderte er und stellte fest, wie langsam und schwerfällig bereits ihre Bewegungen geworden waren. Sie würde nicht das geringste davon merken, daß sie bereits wieder seiner Kontrolle unterlag. Wie alle Fremen war auch Sabiha am aktivsten zur Zeit des Sonnenaufgangs; näherte sich jedoch der Tag seinem Ende, verfiel sie in eine tiefe, beinahe melancholische Lethargie. Schon jetzt verspürte sie den Wunsch, sich zurücksinken zu lassen und einzuschlafen.
Leto ging hinaus.
Am Himmel glitzerten die Sterne, vor deren Hintergrund sich die ihn umgebenden Bergwälle abhoben. Er ging unter den Palmen auf den Qanat zu.
Eine ganze Zeitlang hockte er sich am Rand des Gewässers hin und lauschte dem beständigen Zischen des dahinterliegenden Sandgebietes. Dem Geräusch nach schien der Wurm klein zu sein. Deswegen hatte man ihn zweifellos auch ausgewählt. Ein kleiner Wurm würde leichter zu transportieren sein. Er stellte sich vor, wie sie ihn gefangen hatten: Die Jäger bedienten sich dabei einer Methode, die man traditionell anwandte, wenn man einen Wurm für das Orgienritual benötigte. Man betäubte ihn einfach, indem man in seiner Umgebung feuchten Nebel versprühte. Aber dieser Wurm hier würde nicht ertränkt werden. Man würde ihn auf einen Heighliner der Gilde schaffen und von dort aus zu einem hoffnungsvollen Käufer transportieren, der über eine Wüste verfügte, die unter Garantie zu feucht für ihn war. Nur wenige Fremdweltler ahnten etwas von den Grundvoraussetzungen, die die Basis des Lebens dieser Würmer ausmachten. Ausgemacht hatten. Denn selbst hier in der Tancerouft gab es mittlerweile mehr Flüssigkeit in der Luft als in den Zisternen der Fremen vergangener Tage.
Er hörte, wie Sabiha sich in der Hütte hinter ihm bewegte. Sie konnte keine Ruhe finden, weil sie unter dem ständigen Druck ihrer verdrängten Ahnungen stand. Leto fragte sich, wie es sein würde, völlig außerhalb aller Visionen mit ihr zu leben und jeden Augenblick so zu akzeptieren, wie er sich ihm offenbarte. Der Gedanke gefiel ihm weit besser als alles, was er während des Trancezustandes erlebt hatte. Irgendwie erschien es ihm sicherer und besser, sich auf eine unbekannte Zukunft zu verlassen.
»Ein Kuß in einem Sietch ist ebensoviel wert,
Weitere Kostenlose Bücher