Dune 03: Die Kinder des Wüstenplaneten
plötzlich veränderter Stimme, »laß uns über diesen Prediger sprechen. Nach Abschluß der Opferungszeremonie gestern kamen mir einige unbefriedigende Gerüchte zu Ohren.«
Ghanima zuckte die Achseln. »Es ist nicht unmöglich, daß er ...«
»... Paul ist?«
»Ja. Aber wir haben ihn noch nicht gesehen, um das herauszufinden.«
»Jarvid lacht über diese Gerüchte«, meinte Jessica.
Ghanima zögerte. Dann fragte sie: »Du traust Jarvid?«
Ein grimmiges Lächeln überzog Jessicas Gesicht. »Nicht mehr als du.«
»Leto sagt, daß dieser Jarvid immer über die falschen Dinge lacht«, erklärte Ghanima.
»Vergessen wir jetzt Jarvids Gelächter«, schlug Jessica vor. »Haltet ihr es wirklich für möglich, daß mein Sohn noch lebt und in dieser Verkleidung zurückgekehrt ist?«
»Wir glauben, daß die Möglichkeit besteht. Und Leto ...« Ghanima stellte fest, daß ihre Kehle plötzlich wie ausgetrocknet war und erinnerte sich an Ängste, die schmerzhaft ihren Brustkorb zusammenpreßten. Sie zwang sich, diese Ängste zu überwinden und berief sich auf die anderen Offenbarungen, die Letos Träume ergeben hatten.
Jessica senkte wie unter einem imaginären Schmerz den Kopf.
Ghanima sagte: »Leto meint, er müsse diesen Prediger finden, um endlich sichergehen zu können.«
»Ja ... natürlich. Ich hätte niemals von hier fortgehen sollen. Ich habe mich wie ein Feigling benommen.«
»Warum quälst du dich damit? Du hast eine Grenze erreicht, das weiß ich. Und Leto ebenfalls. Ich schließe nicht einmal aus, daß Alia darüber Bescheid weiß.«
Jessica berührte ihren Hals und sagte: »Ja, Alia ist wirklich ein Problem.«
»Sie übt eine seltsame Anziehungskraft auf Leto aus«, fuhr Ghanima fort. »Deswegen unterstützte ich dein Vorhaben, dich mit mir allein zu treffen. Auch wenn er genau weiß, daß es keine Möglichkeit mehr gibt, sie zu retten, ist er immer noch daran interessiert, bei ihr zu sein und sie ... zu studieren. Und ... es ist sehr verwirrend. Immer wenn ich versuche, mit ihm darüber kritisch zu reden, schläft er ein. Er ...«
»Gibt sie ihm Betäubungsmittel?«
»Nein.« Ghanima schüttelte den Kopf. »Aber er hat eben eine seltsame Gefühlswahrnehmung ihr gegenüber. Und ... im Schlaf murmelt er oft das Wort Jacurutu .«
»Schon wieder dieses Wort!« Schlagartig fiel Jessica der Bericht Gurneys über die Leute ein, die er am Raumhafen hatte festnehmen lassen.
»Manchmal fürchte ich, daß Alia ihn dahingehend beeinflußt, Jacurutu zu suchen«, erklärte Ghanima. »Bisher hatte ich angenommen, es handele sich dabei lediglich um eine Legende. Aber sicher weißt du davon.«
Jessica schauderte. »Eine schreckliche Geschichte.«
»Aber was könnten wir tun?« fragte Ghanima. »Ich fürchte mich, in all den Erinnerungen herumzustöbern, die ich besitze, die nun ein Teil von mir und meinem Leben sind ...«
»Ghani! Ich kann dich davor nur warnen. Du darfst auf keinen Fall riskieren ...«
»Aber es könnte ganz von allein geschehen! Wir wissen doch nicht einmal genau, was mit Alia passierte.«
»Nein! Selbst unter diesem Aspekt darfst du dich dieser ... Besessenheit nicht aussetzen.« Sie spuckte das Wort förmlich aus. »Wenn dieses – Jacurutu hieß es, nicht wahr? – Jacurutu wirklich existiert ... Ich habe Gurney ausgesandt, es zu finden.«
»Aber wie sollte er ... Oh, ich verstehe: die Schmuggler.«
Erneut stellte Jessica fest, wie sehr sie das Bewußtsein des Mädchens verblüffte. Es arbeitete lückenlos mit den Erinnerungen all jener zusammen, die in ihrem Geist versammelt waren. Auch mit den meinen! Es war ihr immer unbegreiflich geblieben, daß dieses junge Wesen im Besitz all jenes Wissens war, das einst Paul gehört hatte und nun die Intimität seines privaten Kosmos teilte. Und irgend etwas in Jessicas Unterbewußtsein rebellierte dagegen. Die Erziehung der Bene Gesserit hatte sie gegen die Abscheulichkeit konditioniert. Aber hier saß sie einem unschuldigen Kind gegenüber, das bereit schien, sich für den Bruder aufzuopfern.
Wir repräsentieren eine Art Leben, das weit in eine finstere Zukunft hinausreicht, dachte sie. Ein Fleisch und Blut. Und sie bereitete sich darauf vor, jenen Dingen ins Angesicht zu sehen, die sie und Gurney Halleck in Bewegung zu bringen gewillt waren. Leto mußte von seiner Schwester getrennt und einer Ausbildung unterzogen werden, auf der die Schwesternschaft bestand.
11
Ich höre, wie der Wind über die Wüste bläst und sehe, wie die Monde
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