Dune 03: Die Kinder des Wüstenplaneten
wäre nicht sein Körper.«
»Du hast überhaupt nichts erklärt«, beschwerte sie sich.
»Ich warnte dich.«
»Und warum ...?«
»Weil du Fragen stelltest. Es mußte dir gezeigt werden. Aber laß uns jetzt über Alia reden und den Plan, den sie ...«
»Hast du vor, das Undenkbare zu tun?« fragte Jessica und hielt das Gom Jabbar unter den Falten ihres Gewandes stoßbereit.
»Und du?« fragte Leto. »Hast du vor, dich zu ihrem Scharfrichter zu machen?« Seine Stimme war jetzt mild und sanft, und mit der ausgestreckten Hand deutete er auf ihre Robe. »Glaubst du wirklich, sie würde gestatten, daß du das da benutzt? Oder daß ich es zulassen würde?«
Jessica stellte fest, daß sie nicht einmal schlucken konnte.
»Aber um deine Frage zu beantworten«, fuhr Leto fort, »kann ich dir sagen, daß ich das Undenkbare nicht vorhabe. So naiv bin ich nicht. Ich bin allerdings bestürzt darüber, daß du es wagst, dich zu Alias Richterin aufzuschwingen. Natürlich hat sie eines der Grundgesetze der Bene Gesserit gebrochen! Was hattest du anderes erwartet? Du bist damals von hier verschwunden und ließest sie als Königin zurück, die alles hatte, bloß keinen Namen. Sie besaß plötzlich alle Macht! Aber du kehrtest nach Caladan zurück, um in der Geborgenheit von Gurneys Armen deine Wunden zu lecken. Na gut. Aber wer bist du denn, daß du dir anmaßest, über Alia ein Urteil zu fällen?«
»Ich sage dir, daß ich nicht ...«
»Ach, sei doch still!« Er wandte wütend den Blick von ihr ab. Aber die Worte, die er ausgestoßen hatte, machten Jessica klar, daß er die Kraft jener Stimme, die von der Ausbildung der Bene Gesserit zeugte, sehr wohl anzuwenden verstand. Erschreckenderweise mußte sie erkennen, daß es ihr unmöglich war, zu einer Entgegnung anzusetzen: Er hatte sie im wahrsten Sinne des Wortes zum Schweigen gebracht. Wer hätte je angenommen, daß jemand existiert, der die Kraft der Stimme gegen mich anwenden kann? dachte sie. Die Tatsache, daß es jemanden gab, verletzte sie zutiefst. Sie selbst hatte die Stimme oft anwenden müssen, aber niemals, seit den Tagen ihrer Ausbildung, war es ihr passiert, daß jemand anderes ihr auf diese Weise über den Mund fuhr.
Leto wandte sich zu ihr um und sagte: »Es tut mir leid. Erst jetzt ist mir zu Bewußtsein gekommen, zu welch blinder Reaktion man dich verleiten kann, wenn man ...«
»Blind? Ich?« Jessica schnappte nach Luft. Mehr noch als die Tatsache, daß seine Stimme sie ausgeschaltet hatte, verschreckten sie diese Worte.
»Ja, du«, sagte Leto. »Wenn du überhaupt noch dazu in der Lage bist, dich mit ehrlichen Augen anzusehen, solltest du bemerkt haben, wie es um deine Reaktionen steht. Wenn ich deinen Namen ausspreche und du ›Ja?‹ sagst, bringe ich deine Zunge zum Verstummen. Ich rufe all eure Bene-Gesserit-Mythen an. Erinnere dich daran, wie man dich erzogen hat. Das zumindest sollte etwas sein, das zu deiner ...«
»Was erlaubst du dir! Was weißt du schon von ...« Ihre Stimme versagte. Natürlich wußte er alles!
»Wirf einen Blick in deine Innenwelt!« sagte Leto mit einer Stimme, die keinen Widerspruch zuließ.
Erneut versagten Jessicas Stimmbänder Sie spürte, wie langsam ihre Sinne schwanden und die Atemzüge schneller wurden. Jenseits des eigenen Bewußtseins erklangen die pochenden Schläge ihres Herzens und das Keuchen ihrer Lungen. Dann stellte sie fest, daß weder ihr Atem noch das Herz ihrer eigenen Kontrolle unterworfen waren. Ihre Augen weiteten sich in entsetzter Selbsterkenntnis. Nicht einmal ihr Körper gehorchte mehr den Anweisungen, die sie ihm gab. Langsam versuchte sie, ihr Gewicht zu verlagern. Nichts. Die Feststellung blieb. Dieses Unkind hatte während der ganzen Zeit mit ihr gespielt wie mit einer Marionette.
»Jetzt weißt du endlich, wie genial die Konditionierungskraft der Bene Gesserit funktioniert«, sagte er.
Sie konnte nur noch nicken. Ihr Glaube an die Kraft der Worte lag zerschmettert darnieder. Leto hatte sie dazu gezwungen, ihrem physischen Universum direkt ins Angesicht zu schauen. Sie war mit einem neuen Verständnis aus diesem Erlebnis hervorgegangen. Er hatte ihr ihren eigenen Körper in einem völlig neuen Licht gezeigt. Seit den frühesten Schultagen auf Wallach und jenem Tag, an dem die Einkäufer des Herzogs gekommen waren, um sie abzuholen, hatte sie keine Situation mehr erlebt, die die Unsicherheit des nächsten Tages so sehr symbolisierte wie dieser.
»Du wirst dich der geplanten Entführung
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