Dune 04: Der Gottkaiser des Wüstenplaneten
jener Streitkräfte, die den Platz besetzt hielten. Der weibliche Bashar erschien augenblicklich. Die dunkle Uniform der Frau war blutbespritzt und staubbedeckt. Ihren Stiefeln sah man an, daß sie über Leichenhaufen gestiegen war. Sie war ein hochgewachsenes, knochendürres Weib, deren Altersfalten ihren adlerhaften Zügen einen Anflug kraftvoller Würde verliehen. Leto erinnerte sich an ihren Truppennamen – Iylyo –, was in der Sprache der alten Fremen »Die-von-der-man-abhängig-ist« bedeutete. Er redete sie allerdings mit ihrem matronymischen Namen – Nyshae – an, dessen Bedeutung »Tochter von Shae« war. Diese Intimität war für ein solches Treffen durchaus angemessen.
»Nimm auf einem Kissen Platz, Nyshae«, sagte er. »Du hast schwer gearbeitet.«
»Vielen Dank, Herr.«
Sie ließ sich auf das rote Kissen sinken, das Hwi benutzt hatte. Leto bemerkte, daß sich um Nyshaes Mund Falten der Müdigkeit eingegraben hatten. Ihre Augen blickten jedoch wachsam. Sie musterte ihn eingehend und wartete begierig auf das, was er zu sagen hatte.
»Es ist wieder ruhig geworden in meiner Stadt.« Er ließ seine Worte nicht nach einer Frage klingen. Sollte Nyshae sie selbst interpretieren.
»Ruhiger, aber nicht besser, Herr.«
Leto warf einen Blick auf ihre verschmierten Stiefel.
»Die Straße vor der ixianischen Botschaft?«
»Wird gesäubert, Herr. Einsatztruppen sind bereits unterwegs.«
»Der Platz?«
»Wenn es hell wird, wird er aussehen, wie er immer ausgesehen hat.«
Ihr Blick blieb beständig auf sein Gesicht gerichtet. Sie wußten beide, daß sie noch nicht beim wirklichen Thema dieses Gesprächs angekommen waren. Aber nun entdeckte Leto in Nyshaes Ausdruck etwas anderes.
Stolz auf ihren Herrn!
Zum ersten Mal hatte sie den Gott-Kaiser töten sehen. Die Saat eines fürchterlichen Gottvertrauens war damit gelegt. Wenn es zu einer Katastrophe kommt, wird der Herr sich persönlich einschalten. Das sagte ihr Blick vordergründig aus. Von nun an würde sie nie wieder ganz auf sich allein gestellt die Macht, die der Gott-Kaiser ihr verlieh, anwenden und für ihre Anwendung persönliche Verantwortung übernehmen. Ihr Gesichtsausdruck hatte etwas von Besessenheit. Eine fürchterliche Todesmaschinerie wartete im Schutz ihrer Schwingen und war auf ihren Befehl hin einsatzbereit.
Das, was Leto sah, gefiel ihm nicht, aber der Schaden war nun einmal entstanden. Dies abzustellen, würde langsam und behutsam manipulierende Mittel erfordern.
»Wo hatten die Angreifer ihre Lasguns her?« fragte er.
»Aus unseren Waffenkammern, Herr. Die Arsenalwache ist ersetzt worden.«
Ersetzt. Das war wirklich eine freundliche Umschreibung. Fischredner, die Fehler machten, wurden isoliert und in Bereitschaft gehalten, bis Leto auf ein Problem stieß, das den Einsatz von Todeskommandos erforderte. Natürlich würden sie mit Freuden sterben, weil sie davon ausgingen, damit ihre Sünden wiedergutzumachen. Schon das Gerücht, er habe ein solches Berserker-Kommando ausgeschickt, konnte einen Aufruhr im Keim ersticken.
»Sie haben sich den Weg zum Arsenal freigesprengt?« fragte er.
»In aller Heimlichkeit und mit Sprengstoff, Herr. Die Arsenalwache war zu sorglos.«
»Und wo kamen die Bomben her?«
In Nyshaes Achselzucken wurde ein wenig von ihrer Erschöpfung sichtbar.
Leto konnte ihr nur zustimmen. Es war kein Problem, die Bombenlieferanten ausfindig zu machen und zu identifizieren – aber das hatte kaum einen Sinn. Wer nicht jeden Schrott wegwarf, konnte sich die Bestandteile, aus denen eine selbstgebastelte Bombe bestand, leicht zusammenstellen – dazu genügten gewöhnliche Dinge wie Zucker und Chlorlauge, Öl und Kunstdünger ebenso wie Plastikstoffe, Lösungsmittel und der Extrakt eines Kuhfladens. Die Liste war in der Tat endlos und wuchs mit jedem Ansteigen menschlicher Erfahrung und Gewitztheit weiter. Selbst eine Gesellschaftsform wie die, die er geschaffen hatte, eine Gesellschaftsform, die es anstrebte, Techniken und neue Ideen in Grenzen zu halten, konnte nie mit absoluter Gewißheit darauf vertrauen, gefährliche und tödliche Kleinwaffen völlig zu eliminieren. Allein der Gedanke, diese Dinge kontrollieren zu können, war eine Schimäre, ein gefährlicher und irrsinniger Mythos. Man konnte diesem Problem nur beikommen, indem man das Verlangen nach Auseinandersetzungen limitierte. Unter diesem Gesichtspunkt betrachtet, war die Nacht ein Desaster gewesen.
So viele neue Ungerechtigkeiten, dachte Leto.
Als
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