Dune 04: Der Gottkaiser des Wüstenplaneten
konnten.
»Könntest du mich retten?«
»Es gibt einen Weg.«
Siona nickte, und er wußte, daß sie den falschen Schluß gezogen hatte.
»Und den willst du gegen meine Zustimmung einhandeln!« klagte sie ihn an.
»Nein.«
»Wenn ich deine Prüfung bestehe ...«
»Es ist nicht meine Prüfung.«
»Wessen denn?«
»Sie rührt von unseren gemeinsamen Ahnen her.«
Siona sank auf dem kalten Fels in eine sitzende Stellung und sagte nichts; sie war noch nicht soweit, ihn darum zu bitten, ihr einen Ruheplatz im Innern seines Frontsegments zu gewähren. Schon jetzt glaubte Leto zu erkennen, daß sich in ihrer Kehle ein kleiner Aufschrei bildete. Nun nagten die Zweifel an ihr. Sie fing an, sich die Frage zu stellen, ob er wirklich zu ihrer Vorstellung vom absoluten Tyrannen paßte. Dann sah sie mit der schrecklichen Klarheit zu ihm auf, die er schon vorher an ihr entdeckt hatte.
»Was zwingt dich zu deinem Tun?«
Die Frage war gut gestellt. Er erwiderte: »Mein Bedürfnis, das Volk zu erretten.«
»Welches Volk?«
»Meine Definition hat eine größere Bandbreite als die der anderen. Sie umfaßt sogar mehr als die der Bene Gesserit, die der Meinung sind, das Menschliche definiert zu haben. Wenn ich dieses Wort gebrauche, meine ich damit die unendlichen Massen der Gesamtmenschheit, welcher Definition sie auch unterliegen mögen.«
»Soll das etwa heißen ...?« Sionas Kehle wurde jetzt zu trocken, als daß sie hätte weitersprechen können. Sie versuchte etwas Speichel anzusammeln. Leto sah, wie ihr Gesicht sich hinter der Maske bewegte. Die Frage, die sie stellen wollte, war ihm allerdings klar, deswegen wartete er nicht weiter ab.
»Ohne mich würde es jetzt nirgendwo mehr Menschen geben – keinen einzigen. Und der Weg in den Untergang war entsetzlicher als deine wildesten Phantasien.«
»Ah, deine angeblichen hellseherischen Fähigkeiten«, spottete Siona.
»Der Goldene Pfad steht immer noch offen«, sagte Leto.
»Ich traue dir nicht!«
»Weil wir nicht gleichberechtigt sind?«
»Ja!«
»Aber wir sind voneinander abhängig.«
»Welches Bedürfnis hast du an mir?«
Ahhh, der Aufschrei der Jugend, die ihre Felle davonschwimmen sieht. Er spürte die Kraft in den geheimen Banden der Abhängigkeit und zwang sich dazu, hart zu sein. Abhängigkeit begünstigt Schwäche!
»Du bist der Goldene Pfad«, sagte Leto.
»Ich?« Es war kaum mehr als ein Flüstern.
»Du hast die Journale, die du mir gestohlen hast, gelesen«, sagte er. »Ich bin in ihnen, aber wo bist du? Schau dir an, was ich erschaffen habe, Siona. Und du – du kannst außer dir nichts hervorbringen.«
»Worte, nichts als Worte!«
»Ich leide nicht darunter, daß man mich anbetet, Siona. Ich leide darunter, daß man mich nie richtig einschätzt. Vielleicht ... Nein, ich wage nicht, für dich zu hoffen.«
»Welchen Zweck erfüllen diese Journale?«
»Sie werden von einer ixianischen Maschine aufgezeichnet. Irgendeines fernen Tages wird man sie finden. Sie werden die Leute nachdenklich machen.«
»Eine ixianische Maschine? Du versündigst dich gegen den Djihad?«
»Auch er hat mich etwas gelehrt. Was tun Maschinen dieser Art denn eigentlich? Sie erhöhen die Anzahl jener Dinge, die wir ohne nachzudenken tun können. Dinge, die wir tun, ohne nachzudenken – da liegt die wirkliche Gefahr. Schau doch mal, wie lange du durch die Wüste gelaufen bist, ohne an deine Gesichtsmaske zu denken.«
»Du hättest mich warnen können!«
»Und den Grad deiner Abhängigkeit erhöhen.«
Sie musterte ihn einen Moment lang und sagte dann: »Warum willst du, daß ich deine Fischredner befehlige?«
»Du bist eine Atreides, du weißt dir zu helfen und bist eigener Gedanken fähig. Du kannst ehrlich sein, nur um der Ehrlichkeit willen – wie du sie siehst. Du wurdest gezüchtet und ausgebildet, um ein Kommando zu führen – und das bedeutet die Freiheit von der Abhängigkeit.«
Der Wind wirbelte Staub und Sand um sie auf, während Siona seine Worte abwägte. »Und wenn ich zustimme, rettest du mich dann?«
»Nein.«
Sie war sich einer gegenteiligen Antwort so sicher gewesen, daß es mehrere Herzschläge lang dauerte, bevor sie dieses Wort überhaupt richtig interpretierte. In dieser Zeit nahm der Wind leicht ab und gestattete ihnen einen Ausblick über die Dünenlandschaft bis zu den Überresten der Habbanya-Erhebung. Die Luft war plötzlich von einer Kälte erfüllt, die dem Fleisch die Feuchtigkeit ebenso entzog wie das heißeste Tageslicht. Ein Teil
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