Dune 04: Der Gottkaiser des Wüstenplaneten
richtig deuteten und Mitleid mit ihm empfanden, wußte er nicht. Jede der Frauen hatte zu irgendeiner Zeit Besprechungen mit einem Duncan abgehalten und gelernt, seine Emotionen richtig zu deuten.
In einem Korridor in der Nähe seiner Unterkunft stieß er auf Nayla, die langsam auf ihn zukam. Irgend etwas in ihrem Gesicht – ein unentschlossener und von Verlorenheit zeugender Blick – ließ ihn kurz innehalten und brachte ihn beinahe aus seiner inneren Konzentration.
»Freundin?« sagte er, als sie nur noch ein paar Schritte von ihm entfernt war.
Sie sah ihn an. Ihr kantiges Gesicht sagte ihm sofort, daß sie ihn erkannt hatte.
Welch eine seltsam aussehende Frau, dachte er.
»Ich bin nicht mehr die Freundin«, sagte sie und ging an ihm vorbei, den Korridor hinunter.
Idaho wandte sich auf dem Absatz um und musterte ihren sich entfernenden Rücken. Sie hatte breite Schultern und beinahe schreckenerregende Muskeln.
Zu welchem Zweck hat man sie gezüchtet? fragte er sich.
Das war nur ein flüchtiger Gedanke. Das, was ihn anging, kehrte jetzt viel schmerzlicher zurück. Idaho machte ein paar Schritte auf die Tür zu und betrat sein Quartier.
Als er drinnen war, blieb er einen Moment lang stehen, ließ die Arme herunterbaumeln und ballte die Hände zu Fäusten.
Nun bindet mich nichts mehr an irgendeine Zeit, dachte er. Seltsamerweise erleichterte dieser Gedanke ihn allerdings nicht. Er wußte jedoch, daß er genau das getan hatte, was Hwi von ihrer Liebe zu ihm befreien würde. Schon bald würde sie anfangen, in ihm einen kleinen, reizbaren Narren zu sehen; ein Subjekt, das nur seinen eigenen Emotionen unterworfen war. Er spürte schon jetzt, daß er in dem für sie wichtigen Umfeld verblaßte.
Und dieser arme Moneo!
Idaho erkannte umrißhaft die Faktoren, die den biegsamen Majordomus geformt hatten: Pflichtbewußtsein und Verantwortungsgefühl. Welch sicheren Hafen stellten sie doch dar in Zeiten schwieriger Entscheidungen.
Ich war auch einmal so, dachte Idaho. Aber das war in einem anderen Leben, in anderen Zeiten.
41
Manchmal fragen mich die Duncans, ob ich die exotischen Gedankengänge unserer Vergangenheit überhaupt verstehe. Denn wenn ich sie verstehe – warum kann ich sie dann nicht erklären? Wissen, glauben die Duncans, steckt nur in den Einzelheiten. Ich versuche ihnen klarzumachen, daß Worte nichts als Plastik sind. Im gleichen Moment, in dem man sie äußert, beginnt die Vorstellung, die man von ihnen hat, sich zu verzerren. Gedanken, eingebettet in eine Sprache, erfordern diese ausführliche Sprache, um geäußert werden zu können. Dies ist die Essenz der inneren Bedeutung des Wortes exotisch. Seht ihr, wie es anfängt, zu verschwimmen? In der Gegenwart des Exotischen fängt die Übersetzung an, sich zu krümmen. Das Galach, das ich spreche, zeigt seine Grenzen auf. Es stellt den Rahmen einer Übereinkunft dar, ein in die Einzelheiten gehendes System. Aber in allen Systemen lauern Gefahren. Systeme schreiben die unbewiesenen Vorstellungen ihrer Schöpfer fest. Wer ein System adaptiert, seine Glaubenssätze akzeptiert, hilft mit, den Widerstand gegen die Veränderung zu festigen. Dient es irgendeinem Zweck, den Duncans zu erklären, daß es für manche Dinge keine Sprache gibt? Ahhh! Aber die Duncans glauben, jede Sprache sei die meinige.
Die gestohlenen Journale
Zwei volle Tage und Nächte lang versäumte Siona, ihre Gesichtsmaske zu schließen und verlor mit jedem Atemzug kostbares Wasser. Es hatte der alten Fremenwarnung für die Kinder bedurft, bevor sie sich wieder an die Worte ihres Vaters erinnert hatte. Leto hatte sie schließlich am dritten kalten Morgen ihrer Reise, als sie im Schatten eines Felsens auf der windgepeitschten Ebene der Erg anhielten, daran erinnert.
»Hüte jeden Atemzug, da er die Wärme und Feuchtigkeit deines Lebens in sich trägt«, sagte er.
Er war sich darüber im klaren gewesen, daß sie noch drei zusätzliche Tage und Nächte in der Erg verbringen mußten, bevor es Wasser gab. Nun war der fünfte Morgen angebrochen, seit sie den Turm der Kleinen Zitadelle hinter sich gelassen hatten. Während der Nacht hatten sie sich auf einem seichten, sandigen Untergrund bewegt; nicht auf Dünen, aber die konnte man ebenso vor sich sehen wie die Überreste der Habbanya-Erhebung, die in der Ferne eine dünne, unterbrochene Linie bildete. Man mußte nur wissen, wohin man zu blicken hatte. Siona löste nun den Gesichtsschutz von ihrem Destillanzug, damit sie
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