Dune 04: Der Gottkaiser des Wüstenplaneten
hingehen? Den Wall kann man nicht erklimmen – und außerdem liegt der Fluß direkt dahinter. In der anderen Richtung ist die Sareer. Oh, nein – es geht um etwas anderes.« Nayla schüttelte den Kopf.
»Raus damit!« forderte Siona.
»Ich unterstehe strikten Anweisungen, Kommandantin, denen gegenüber ich nicht ungehorsam zu sein wage.« Nayla warf einen Blick auf die restlichen Mitglieder der Einheit. Dann wandte sie sich wieder Siona zu. »Sie und der ... der Duncan Idaho sollen zusammen untergebracht werden.«
»Ein Befehl meines Vaters?«
»Kommandantin – es heißt, daß es sich um persönliche Anweisungen des Gott-Kaisers handelt. Es ist uns unmöglich, sie zu ignorieren.«
Siona schaute Idaho an. »Sie erinnern sich doch an die Warnung, Duncan, die ich aussprach, als wir uns in der Zitadelle unterhielten?«
»Meine Hände gehören mir«, schnaubte Idaho, »und ich bin es gewohnt, das mit ihnen zu tun, was ich will. Und was meine Wünsche angeht, so sind Sie darüber zweifellos bestens informiert!«
Siona nickte kurz, wandte sich von ihm ab und musterte Garun. »Was macht es schon, in welchem Bett wir in diesem miesen Kaff übernachten? Bringt uns in unser Quartier!«
Idaho fand Garuns Erwiderung faszinierend. Er wandte das Gesicht dem Ghola zu, verbarg es hinter seiner Fremenkapuze und blinzelte ihm verschwörerhaft zu. Erst dann führte er sie die schmutzige Straße entlang.
45
Worin besteht die unmittelbarste Gefahr für meine Ordnerfunktion? Ich werde es euch sagen: In einem wirklichen Visionär, einer Person, die Gottes Gegenwart bei vollem Bewußtsein erfahren hat. Visionäre Ekstasen setzen Energien frei, die denen der Geschlechtlichkeit ähnlich sind – sie sind auf nichts anderes als den Schöpfungsakt fixiert. Ein Schöpfungsakt kann dem anderen stark gleichen. Es hängt alles von der Vision ab.
Die gestohlenen Journale
Leto lag ohne seinen Wagen auf dem hohen, abgeschirmten Balkon des Turms seiner Kleinen Zitadelle und unterdrückte seine schlechte Laune. Er hatte aufgrund einer unausweichlichen Verzögerung den Tag seiner Hochzeit mit Hwi Noree verlegen müssen. Das ärgerte ihn. Er blickte nach Südwesten. Irgendwo dort unten, jenseits des sich verdunkelnden Horizonts, hielten sich nun schon seit sechs Tagen der Duncan, Siona und deren Gefährten im Dorf Tuono auf.
Die Verzögerung habe ich mir selbst zuzuschreiben, dachte er. Ich habe den Ort gewechselt, an dem die Zeremonie stattfinden soll – und so die Notwendigkeit geschaffen, daß Moneo alle Pläne und Vorbereitungen revidieren muß.
Und jetzt, natürlich, noch diese Sache mit Malky.
Moneo, der sich im Innenraum des Horstes aufhielt und sich darum sorgte, daß er nicht auf seinem Kommandoposten war, um die Festvorbereitungen zu leiten, war für diese Notwendigkeiten taub. Wenn er sich keine Sorgen machen konnte, war er nicht zufrieden.
Leto warf einen Blick auf die untergehende Sonne. Sie schwebte nun knapp über dem Horizont dahin und hatte aufgrund eines kürzlich erst abgeflauten Sturms eine mattrote Färbung. Im Süden, über der Sareer, hingen Regenwolken. In einer sich hinziehenden Stille hatte Leto dem Regen eine Weile zugesehen. Es war ein anhaltender, ergiebiger Guß gewesen. Die Wolken waren aus dem harten, grauen Himmel hervorgewachsen und Kilometer um Kilometer vorgedrungen. Leto war sich wie in unerbetene Erinnerungen gebettet vorgekommen. Er hatte diese Stimmung nur schwer abschütteln können, und unabsichtlich murmelte er die Verse eines uralten Gedichts vor sich hin.
»Hast du etwas gesagt, Herr?« Moneos Stimme kam aus unmittelbarer Nähe. Leto bewegte lediglich die Augen und sah, daß der treue Majordomus dienstbereit und abwartend dastand.
Leto übersetzte die Worte in Galach, als er zitierte: »Im Pflaumenbaum nistet die Nachtigall, aber was fängt sie an mit dem Wind?«
»Ist das eine Frage, Herr?«
»Eine alte Frage. Die Antwort ist einfach: Sie soll bei den Blumen bleiben.«
»Ich verstehe nicht, Herr.«
»Hör auf, das Offensichtliche zu sagen, Moneo! Es verstört mich, wenn du dich so gibst.«
»Verzeih mir, Herr.«
»Was kann ich sonst tun?« Leto studierte Moneos niedergeschlagenes Gesicht. »Was immer wir auch tun, Moneo – du und ich, wir geben eine gute Theatervorstellung.«
Moneo sah ihn an. »Herr?«
»Die religiösen Riten des Bacchusfestes legten die Saat des griechischen Theaters, Moneo. Religion führt oftmals zum Theater. Man wird gutes Theater aus uns machen.«
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