Dune 04: Der Gottkaiser des Wüstenplaneten
sah sie Leto an. »Warum war Moneo so halsstarrig?«
»Er hat erkannt, daß der Augenblick, der gerade zu Ende ging, auf ewig seiner Reichweite entschwunden ist.«
»Er ist, seit du von der Kleinen Zitadelle zurückkamst, ziemlich düster und zerstreut gewesen. Er ist nicht mehr der, der er einmal war.«
»Er ist ein Atreides, meine Liebe, und du wurdest dazu bestimmt, einen solchen aufzumuntern.«
»Das ist es nicht. Wenn es das wäre, wüßte ich es.«
»Ja ... Nun, ich glaube, Moneo hat gleichermaßen die Realität des Todes erkannt.«
»Wie ist es in der Kleinen Zitadelle, wenn du mit Moneo dort bist?« fragte sie.
»Es ist der einsamste Ort meines Imperiums.«
»Ich glaube, du weichst meinen Fragen aus«, sagte Hwi.
»Nein, Liebling. Ich teile zwar deine Besorgnis in bezug auf Moneo, aber es gibt keine Erklärung meinerseits, die ihm jetzt helfen könnte. Moneo ist eingekesselt. Er hat erfahren, daß es schwierig ist, in der Gegenwart zu leben, sinnlos in der Zukunft und unmöglich in der Vergangenheit.«
»Ich glaube, dafür hast du gesorgt, Leto.«
»Aber er muß sich aus eigener Kraft befreien.«
»Warum kannst du das nicht tun?«
»Weil er glaubt, meine Erinnerungen seien der Schlüssel zu seiner Freiheit. Er glaubt, ich erschaffe unsere Zukunft aus der Vergangenheit heraus.«
»Ist das nicht immer der Fall?«
»Nein, meine liebe Hwi.«
»Wie ist es dann?«
»Die meisten glauben, eine erstrebenswerte Zukunft sei dadurch erreichbar, indem man in eine idealisierte Vergangenheit zurückkehrt – in eine Vergangenheit, die erwiesenermaßen niemals existiert hat.«
»Und du – mit all deinen Erinnerungen – weißt das.«
Leto drehte innerhalb der Hautfalten sein Gesicht und maß sie mit einem prüfenden Blick. Ihm fiel etwas ein. Aus allem, was in ihm war, hätte er ein Kompositum formen können – ein genetisches Vorstellungsbild Hwis –, aber es würde dem Original nicht sehr ähnlich werden. Das war es, natürlich. Die Vergangenheit wurde zu einer endlosen Aneinanderreihung hervorquellender Augen, wie die eines nach Luft schnappenden Fisches. Aber Hwi war das blühende Leben. Ihr Mund war eine griechische Rundung, wie geschaffen für einen delphischen Gesang. Aber sie murmelte keine Orakelsprüche. Sie war dem Leben selbst zugetan. Sie war ein offenes Lebewesen, wie eine Blume, deren Kelch sich fortwährend öffnete und wohlriechend war.
»Warum siehst du mich so an?« fragte sie.
»Ich habe mich in deiner Liebe gesonnt.«
»Liebe, ja.« Sie lächelte. »Ich glaube, wir müssen die Liebe der Seele miteinander teilen, da wir die körperliche nicht praktizieren können. Wärst du dazu bereit, Leto?«
Das verblüffte ihn. »Du fragst nach meiner Seele?«
»Andere haben das gewiß auch schon getan.«
Leto sagte kurz: »Meine Seele verarbeitet ihre Erfahrungen, sonst nichts.«
»Habe ich zuviel von dir verlangt?« fragte sie.
»Ich glaube, das kannst du gar nicht.«
»Dann muß ich dir wohl in aller Liebe widersprechen. Mein Onkel Malky hat über deine Seele gesprochen.«
Leto stellte fest, daß er nicht antworten konnte. Hwi sah sein Schweigen als Aufforderung an, weiterzusprechen. »Er sagte, du seist der höchste Seelenprüfer und würdest deine eigene am besten kennen.«
»Aber dein Onkel Malky hat bestritten, daß er selbst eine Seele hat!«
Sie vernahm zwar die in seiner Stimme mitschwingende Schroffheit, ließ sich aber nicht ablenken. »Ich glaube immer noch, daß er recht hatte. Du bist der Genius der Seele, der Strahlende.«
»Alles, was man dazu braucht, sind Ausdauer, Beharrlichkeit und Zeit«, sagte er. »Keine Brillanz.«
Sie befanden sich inzwischen ein gutes Stück auf jener Steigung, die zum Sareer-Grenzwall hinaufführte. Leto fuhr die Wagenräder aus und desaktivierte die Suspensoren.
Mit leiser Stimme – ihre Worte wurden vom Geräusch der über den Sand knirschenden Räder und dem sie umgebenden Fußgetrappel fast verschluckt – sagte Hwi: »Darf ich dich eigentlich Liebling nennen?«
Mit beengter Kehle, die nicht mehr hundertprozentig menschlich war, erwiderte Leto: »Ja.«
»Ich wurde als Ixianerin geboren, Liebling«, sagte sie. »Warum sehe ich das Universum nicht aus dem mechanistischen Standpunkt meines Volkes? Kennst du meinen Standpunkt, mein geliebter Leto?«
Er konnte sie nur anstarren.
»Ich spüre das Übernatürliche bei jeder Wendung«, sagte sie.
Letos Stimme war rauh und hörte sich sogar für seine Ohren aufgebracht an. »Jeder
Weitere Kostenlose Bücher