Dune 04: Der Gottkaiser des Wüstenplaneten
einmal und schlenderte auf die Brücke zu, wo er in einer felsigen Ecke direkt vor Nayla anhielt. Er spähte nach unten und ging dann auf die andere Seite des Brückenanfangs hinüber. Er blickte erneut in die Tiefe und blieb dort mehrere Minuten lang stehen, bevor er zu Siona zurückkehrte.
Welch ein seltsames Geschöpf, dieser Ghola, dachte Nayla. Nach der schrecklichen Kletterei hielt sie ihn nicht mehr für besonders menschlich. Er war etwas anderes, ein Halbwesen, das Gott nahestand. Aber er konnte sich fortpflanzen.
Ein aus der Ferne kommender Ruf zog Naylas Aufmerksamkeit auf sich. Sie wandte sich um und schaute über die Brücke. Der Troß hatte sich mit dem Tempo vorwärtsbewegt, das bei Fußmärschen dieser Art üblich war. Aber nun, nur noch ein paar Minuten Weg von der Brücke entfernt, verlangsamte er wie zu einem Spaziergang. Nayla erkannte Moneo. Er nahm die Spitze ein und trug eine weißglänzende Uniform. Er sah geradeaus und bewegte sich mit zielbewußtem Schritt. Die Kuppel des kaiserlichen Wagens war geschlossen. Sie glitzerte wie ein Spiegel, während der Wagen auf seinen Rädern hinter Moneo herrollte.
Die Rätselhaftigkeit von alledem zog Nayla in ihren Bann.
Ein Wunder würde geschehen!
Nayla schaute nach rechts auf Siona. Siona erwiderte ihren Blick und nickte. Nayla zog die Lasgun aus dem Holster und drückte die Hand gegen die Felssäule, an der sie entlangsah. Erst das Kabel zur Linken, dann das zur Rechten; dann die dünne Plastahlsäule links. Die Lasgun fühlte sich in ihrer Hand kalt und fremdartig an. Um ihre Ruhe zurückzugewinnen, tat sie einen bebenden Atemzug.
Ich muß gehorchen. Es ist eine Prüfung.
Sie sah, daß Moneo den Blick über die Straße erhob, ohne seine Geschwindigkeit einzuschränken. Dann drehte er sich um und rief dem Wagen – oder denen, die hinter ihm kamen – etwas zu. Nayla konnte seine Worte nicht verstehen. Moneos Blick richtete sich wieder auf den Weg. Nayla stützte sich auf dem Felsen, der einen Teil ihres Körpers verbarg, ab.
Eine Prüfung.
Moneo hatte sowohl die Leute auf der Brücke als auch die an ihrem Ende gesehen. Er erkannte die Fischredner-Uniformen und fragte sich im ersten Moment, wer diesen Begrüßungstrupp hierher beordert hatte. Er drehte sich um und rief dem Wagen eine Frage zu, aber die Kuppel des Gott-Kaisers blieb undurchsichtig und verbarg Hwi und Leto in ihrem Innern.
Moneo befand sich bereits auf der Brücke und hörte den Wagen hinter sich knirschend den Flugsand durchqueren, bevor er Siona und Idaho erkannte, die ein Stück vom anderen Ende der Brücke entfernt standen. Er identifizierte vier am Straßenrand sitzende Museumsfremen. Moneos Geist wurde von schleichendem Zweifel erfaßt, aber er konnte nichts dagegen tun. Er riskierte einen Blick auf den Fluß – und sah eine strahlende Welt im Mittagslicht. Das Geräusch des hinter ihm kommenden Wagens war laut. Das Dahingleiten des Flusses, der Strom des Begleitpersonals, die weitreichende Wichtigkeit der Dinge, in denen er eine Rolle spielte – all das war nun in seinem Bewußtsein gefangen und verschaffte ihm das schwindelnde Gefühl des Unausweichlichen.
Wir sind nicht Menschen, die diesen Weg gehen, dachte er. Wir sind Urelemente, die ein Zeitstück mit dem anderen verbinden. Wenn wir nicht mehr sind, wird hinter uns alles verstummen und zu einem Ort werden, der dem Nicht-Raum der Ixianer entspricht. Es wird nie wieder so sein, wie es war, bevor wir kamen.
Der Fetzen eines Liedes der Lautenspielerin wehte durch Moneos Geist, und im Zuge dieser Erinnerung verschleierte sich sein Blick. Er kannte das Lied, weil es so sehnsuchtsvoll den Wunsch ausdrückte, all dies möge vorbei, zur Vergangenheit geworden sein, alle Zweifel beseitigt sein und Seelenruhe zurückkehren. Das einfache Lied flatterte wie eine Wolke durch seinen Geist und drehte sich verlockend.
»Insektenlaute im Pampasgras.«
Moneo summte das Lied vor sich hin:
»Insektenlaute zeigen das Ende an.
Herbst, und mein Lied hat die Farbe
der letzten Halme
der Pampasgraswurzeln.«
Im Takt des Refrains nickte Moneo.
»Der Tag ist vorbei,
die Besucher gegangen.
Der Tag ist vorbei.
In unserem Sietch
ist der Tag vorbei.
Sturmwind kommt auf.
Der Tag ist vorbei,
die Besucher gegangen.«
Moneo kam zu dem Schluß, daß das Lied der Lautenspielerin wirklich alt sein mußte; ein altes Fremenlied, zweifellos. Und es sagte ihm etwas über sich selbst. Er wünschte sich, die Besucher seien
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