Dune 04: Der Gottkaiser des Wüstenplaneten
zu Letos eigenartiger Theorie.«
»Ja. Er sagt, daß eine rein männliche Armee zu gefährlich für ihre zivile Unterstützungsbasis sei.«
»Unsinn! Ohne die Armee hätte es niemals ...«
»Ich kenne das Argument. Aber er sagt, eine männliche Armee sicherte das Überleben der Abschirmungsfunktion, die in prähistorischen Horden von jenen Männern ausgeübt wurde, die keine Nachkommen zeugten. Er sagt, es sei eine äußerst eigenartige Sache, daß die älteren Männer stets die Jungen in die Schlacht hinausschickten.«
»Was soll das heißen: Abschirmungsfunktion? «
»Das betrifft die, die sich ständig an der gefährlichen Grenze aufhielten und den Kern der Nachkommen zeugenden Männer und Frauen sowie die Jungen beschützten. Diejenigen, die dem Raubtier als erste gegenüberstehen.«
»Und wieso ist das gefährlich für die ... Zivilisten?«
Idaho biß in seine Melone. Sie war völlig ausgereift.
»Lord Leto sagt: Wenn es keinen äußeren Feind gab, wandte sich die männliche Armee stets gegen die eigene Bevölkerung. Immer.«
»Dann wurde um die Frauen gekämpft?«
»Vielleicht. Er glaubt aber offensichtlich nicht, daß es so einfach war.«
»Ich finde diese Theorie gar nicht komisch.«
»Sie haben sie auch noch nicht ganz gehört.«
»Sie geht noch weiter?«
»O ja. Er sagt, daß eine männliche Armee starke homosexuelle Neigungen hat.«
Idaho sah Moneo über den Tisch hinweg an. »Ich habe noch nie ...«
»Natürlich nicht. Er spricht über Sublimierung, umgeleitete Energien und so weiter.«
»Und so weiter?« Idaho wirkte verärgert. Offensichtlich sah er sein männliches Selbstbewußtsein attackiert.
»Pubertäres Verhalten ... Jungs unter sich ... Witze, die nur gemacht werden, um zu verletzen ... Loyalität ausschließlich gegenüber Angehörigen des eigenen Rudels ... Solche Sachen eben.«
Idaho sagte kalt: »Und was halten Sie davon?«
»Da fällt mir gerade ein ...« – Moneo wandte sich um und sprach weiter, während er den Ausblick genoß –, »daß er mir einmal etwas erzählt hat, von dem ich glaube, daß es stimmt. Er ist jeder Soldat, den die Geschichte der Menschheit je hatte. Er bot mir an, mir ein paar Beispiele zu zeigen – bekannte Militärs, die ihre Pubertät nie überwunden hatten. Ich lehnte sein Angebot ab. Ich habe meine Vergangenheit äußerst intensiv studiert und dabei herausgefunden, daß diese Charakteristika auch auf mich zutreffen.«
Moneo drehte sich wieder um und sah Idaho direkt in die Augen.
»Denken Sie darüber nach, Kommandant.«
Idaho hielt sich auf seine Selbstehrlichkeit etwas zugute, aber das traf ihn. Das Militär sollte einen Jugend- und Pubertätskult betreiben? Irgend etwas daran klang wahr. Auch er hatte so seine Erfahrungen gemacht ...
Moneo nickte. »Der Homosexuelle – ob er es nun latent ist oder nicht –, der diesen Umstand aus Gründen, die man nur psychologisch erklären könnte, aufrechterhält, neigt dazu, schmerzhafte Erfahrungen herbeizusehnen – er sucht dies für sich selbst und verhängt sie über andere. Lord Leto sagt, dies sei auf Initiationsriten in der prähistorischen Horde zurückzuführen.«
»Sie glauben ihm?«
»Ja.«
Idaho biß noch einmal in die Melone. Sie hatte ihren süßen Geschmack verloren. Er schluckte und legte seinen Löffel nieder.
»Ich werde darüber nachdenken müssen«, sagte er.
»Natürlich.«
»Sie essen ja gar nichts«, sagte Idaho.
»Ich bin schon vor dem Morgengrauen aufgestanden und habe schon gefrühstückt.« Moneo deutete auf seinen Teller. »Aber die Frauen lassen nichts unversucht, um mich in Versuchung zu führen.«
»Haben sie je Erfolg gehabt?«
»Hin und wieder.«
»Sie haben recht. Diese Theorie ist doch ziemlich eigenartig. Geht sie noch weiter?«
»Ohhh – er sagt: Wenn die Armee aus ihren pubertär-homosexuellen Ketten ausbricht, vergewaltigt sie im Grunde nur noch. Vergewaltigung ist sehr oft mörderisch und hat keine Überlebensfunktion.«
Idaho sah finster drein.
Moneo gestattete sich ein kleines Lächeln. »Lord Leto sagt, daß in Ihren Zeiten nur die Disziplin und Moralgesetze der Atreides die schlimmsten Exzesse verhindert haben.«
Idaho stieß einen tiefen Seufzer aus.
Moneo lehnte sich zurück und dachte über einen Ausspruch nach, den der Gott-Kaiser einst von sich gegeben hatte: Gleichgültig wie wir uns auch bemühen, nach der Wahrheit zu streben – es ist oft sehr unangenehm, über sich selbst genau im Bilde zu sein. Dem, der die Wahrheit sagt,
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