Dune 05: Die Ketzer des Wüstenplaneten
auf einem Lashkar befand. Diesmal war das Risiko so hoch wie noch nie. Eine Geehrte Mater der Diaspora verlangte seine Gegenwart. Eine Powindah der Powindahs! Nachfahren der Tleilaxu der Diaspora hatten ihm alles über diese schrecklichen Frauen erzählt, was sie wußten.
»Sie sind viel gefährlicher als die Ehrwürdigen Mütter der Bene Gesserit«, hatte es geheißen.
Und viel zahlreicher, sagte sich Waff.
Allerdings traute er den zurückgekehrten Tleilaxu-Nachfahren auch nicht ganz. Sie sprachen einen seltsamen Akzent, ihr Verhalten war noch seltsamer, und die Art, wie sie ihre Rituale abhielten, fragwürdig. Wie konnte man sie dem Großen Khel wieder zuführen? Gab es überhaupt Ghufran-Riten, die sie nach all diesen Jahrhunderten noch reinigen konnten? Es war kaum zu glauben, daß sie das Geheimnis der Tleilaxu all diese Generationen hindurch für sich behalten hatten.
Obwohl sie keine Malik-Brüder mehr waren, stellten sie doch die einzige Informationsquelle dar, die die Tleilaxu bezüglich der heimkehrenden Verlorenen hatten. Und die Enthüllungen, die sie aus der Diaspora mitgebracht hatten! Enthüllungen, die sie den Duncan Idahos eingepflanzt hatten – und dies war sehr wohl alle Risiken wert, die die schrecklichen Powindah über sie bringen konnten.
Er traf sich mit den Geehrten Matres in der potentiell neutralen Zone eines ixianischen Nicht-Schiffes, das auf einer engen Bahn einen Gasriesen umkreiste, auf den man sich beiderseits geeinigt hatte. Der Planet gehörte zu einem all seiner Reichtümer entkleideten Sonnensystem des alten Imperiums. Der Prophet hatte höchstpersönlich diesem System den letzten Rest an Wohlstand entzogen. Neu-Gestaltwandler befanden sich, als Ixianer getarnt, in der Mannschaft des Schiffes, aber dennoch schwitzte Waff vor der ersten Begegnung. Wenn die Geehrten Matres wirklich noch entsetzlicher waren als die Bene Gesserit-Hexen – würden sie dann auch bemerken, daß man einen Teil der ixianischen Besatzung gegen Gestaltwandler ausgetauscht hatte?
Die Auswahl des Treffpunktes und die Arrangements hatten Waff in einen Zustand versetzt, der ihm zu schaffen machte. War er hier auch sicher? Noch einmal versicherte er sich der beiden versiegelten Waffen, die er bei sich trug und die man außer auf den Kernwelten der Tleilaxu noch nie eingesetzt hatte. Es handelte sich dabei um das perfekte Ergebnis gewissenhafter langer Anstrengungen seiner Feuerwerker: Zwei winzige Pfeilwerfer, die in seinen Ärmeln verborgen waren. Er hatte jahrelang damit trainiert, bis das Beiseiteschieben der Ärmel und die Entsicherung der Giftpfeile fast nur noch ein instinktiver Reflex geworden waren.
Die Wände des Raumes, in dem sie sich trafen, waren von einer satten Kupferfarbe, was bedeutete, daß sie vor ixianischen Spionagegeräten abgeschirmt waren. Aber welche Instrumente waren während der Diaspora entwickelt worden, von denen die Ixianer keine Ahnung hatten?
Waff betrat zögernd den Raum. Die geehrte Mater war bereits da und saß in einem Lederschlingensessel.
»Sie reden mich an wie alle anderen«, begrüßte sie ihn. »Geehrte Mater.«
Er verbeugte sich so, wie man es ihn gelehrt hatte.
»Geehrte Mater.«
Ihre Stimme wies nicht die geringste Spur zurückhaltender Macht auf. Eine tiefe Altstimme, deren Obertöne anzeigten, daß sie ihn verachtete. Sie sah aus wie eine in die Jahre gekommene Athletin oder Akrobatin, die sich zwar von ihrer Arbeit zurückgezogen hat und langsamer geworden ist, dennoch aber ihre Muskeln und einen Teil ihrer Fähigkeiten souverän beherrscht. Ihr Gesicht war ausgemergelt, was die hohen Wangenknochen noch mehr betonte. Ihr dünnlippiger Mund zeigte einen Anflug von Hochmut, als sie sprach, als äußere sie sich gegenüber einem Menschen von weit niedrigerer Geburt.
»Nun, dann kommen Sie herein und nehmen Sie Platz!« befahl sie, während sie auf einen Schlingensessel deutete, der ihr gegenüberstand.
Waff hörte, daß sich die Luke zischend hinter ihm schloß. Er war allein mit ihr! Sie hatte einen Schnüffler bei sich. Er sah, daß die dazugehörige Leitung in ihrem linken Ohr verschwand. Aber seine Pfeilwerfer waren versiegelt und gegen Schnüffler ›ausgespült‹ worden. Danach hatte man sie bei 0 Kelvin fünf Standardjahre lang in einem Strahlungsbad gehalten, damit sie für Schnüffler unauffindbar wurden. War es lange genug gewesen?
Höflich ließ er sich in dem Sessel nieder, auf den sie gedeutet hatte.
Orangegefleckte Kontaktlinsen
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