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Dune 05: Die Ketzer des Wüstenplaneten

Dune 05: Die Ketzer des Wüstenplaneten

Titel: Dune 05: Die Ketzer des Wüstenplaneten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Herbert
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unmittelbare Umgebung musterte, konnte sie Einzelheiten ihrer Vergangenheit aufgreifen und sie durchleben, als spielten sie sich auf einem Bildschirm der Gegenwart ab.
    Gedächtnisarbeit, dachte Odrade. Notwendige Dinge hervorheben und in Ruhe beiseite legen. Entfernen der Barrieren. Wenn alles andere seinen Reiz verlor, hatte sie immer noch ihre verwirrende Kindheit.
    Es hatte einst eine Zeit gegeben, in der Odrade gelebt hatte wie die meisten Kinder. In einem Haus, zusammen mit einem Mann und einer Frau, die – falls sie nicht ihre leiblichen Eltern gewesen waren – als Eltern fungiert hatten. Alle Kinder, die sie damals gekannt hatte, hatten in ähnlichen Situationen gelebt. Sie hatten Papas und Mamas gehabt. Papa arbeitete nur manchmal außer Haus. Manchmal ging nur Mama fort, um eine Tätigkeit auszuüben. In Odrades Fall blieb die Frau zu Hause, und es gab kein Kindermädchen, das während der Arbeitszeit das Kind hütete. Viel später hatte Odrade erfahren, daß ihre Geburtsmutter eine beträchtliche Geldsumme ausgegeben hatte, um das kleine Mädchen aus dem Blickfeld der Welt zu entfernen.
    »Sie hat dich bei uns versteckt, weil sie dich liebt«, erklärte die Frau, als Odrade alt genug war, um zu verstehen. »Deswegen darfst du auch nie verraten, daß wir nicht deine richtigen Eltern sind.«
    Die Liebe hatte nichts damit zu tun, hatte Odrade später erfahren. Ehrwürdige Mütter handelten nicht aus solch weltlichen Motiven. Und Odrades Mutter war eine Schwester der Bene Gesserit gewesen.
    All dies hatte man Odrade aufgrund des ursprünglichen Plans offenbart. Ihr Name: Odrade. Darwi hatte man sie stets genannt, wenn man sich nicht über sie ärgerte oder zärtlich zu ihr sein wollte. Ihre Spielgefährten hatten sie natürlich Dar genannt.
    Nicht alles schien jedoch nach dem ursprünglichen Plan zu verlaufen. Odrade erinnerte sich an ein schmales Bett in einem Zimmer, dessen pastellblaue Wände mit Tiergemälden und Märchenlandschaften geschmückt waren. Weiße Vorhänge flatterten während sanfter Frühlings- und Sommerbrisen an den Fenstern. Odrade erinnerte sich, daß sie auf dem schmalen Bett herumgesprungen war. Ein herrliches, wunderbares Spiel: auf und nieder, auf und nieder. Sie hatte viel gelacht. Dann hatten sie mitten im Sprung ein paar Arme aufgefangen und an sich gezogen. Die Arme eines Mannes mit rundem Gesicht und einem kleinen Schnauzbart, der sie dermaßen kitzelte, daß sie lachen mußte. Das Bett rumste gegen die Wand, wenn sie sprang, und die Wand trug Anzeichen dieser Behandlung.
    Odrade gab sich augenblicklich ganz dieser Erinnerung hin. Sie zögerte, sie in den Born der Vernunft mit einzubeziehen. Spuren an der Wand. Anzeichen von Gelächter und Freude. Wie klein sie doch waren, und doch zeigten sie so viel.
    Komisch, aber sie hatte in letzter Zeit öfter an Papa gedacht. Nicht alle ihre Erinnerungen waren glücklich. Es hatte Zeiten gegeben, in denen er traurig-wütend gewesen war; Zeiten, in denen er zu Mama gesagt hatte, sie solle sich nicht ›zu sehr engagieren‹. Er hatte ein Gesicht, das viele Frustrationen widerspiegelte. Seine Stimme klang wie ein Bellen, wenn er in dieser wütenden Stimmung war. Mama bewegte sich dann vorsichtig, und ihre Augen waren voller Sorge. Odrade spürte die Sorge und die Angst, und dann mochte sie den Mann nicht mehr. Die Frau wußte am besten, wie man mit ihm umging. Sie küßte ihn in den Nacken, streichelte seine Wange und flüsterte ihm etwas ins Ohr.
    Diese uralten ›natürlichen‹ Gefühle hatten lange Zeit eine Analytiker-Prokuratorin der Bene Gesserit beschäftigt, die mit Odrade gearbeitet hatte, bevor sie sie ausprobierten. Und selbst jetzt noch konnte sie sie aufgreifen und beiseite legen. Sogar jetzt wußte Odrade, daß sie noch nicht völlig verschwunden waren.
    Als sie sah, mit welcher Aufmerksamkeit Taraza ihre biografische Akte studierte, fragte sich Odrade, ob dies der Mangel war, den die Mutter Oberin sah.
    Sicher wissen sie schon jetzt, daß ich mit den Emotionen der alten Zeiten umgehen kann.
    Es war alles so lange her. Dennoch mußte sie sich eingestehen, daß sie die Erinnerung an diesen Mann und seine Frau noch immer in sich trug. Die Verbundenheit war dermaßen stark, daß sie möglicherweise niemals gänzlich verblich. Besonders die Erinnerung an Mama.
    Die Ehrwürdige Mutter in extremis, die Odrade geboren hatte, hatte sie auf Gammu an einem Ort versteckt gehalten – aus Gründen, die sie nun ziemlich gut verstand.

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