Dune 06: Die Ordensburg des Wüstenplaneten
Heuchlerin, Bell!«
Sie zuckte zurück, als hätte er sie geschlagen; es war eine völlig unfreiwillig ausgeführte Bewegung, deren Gezwungenheit sie schockierte. Die Stimme? Nein ... Etwas, das tiefer reichte. Sie empfand diesen Mann plötzlich als unheimlich.
»Ich finde es prächtig, daß ein Mentat und eine Ehrwürdige Mutter dermaßen heuchlerisch sein können«, sagte er.
Teg zerrte an Idahos Arm. »Kämpft ihr?«
Idaho schob die Hand von sich. »Ja, wir kämpfen.«
Bellonda konnte den Blick nicht von dem Idahos lösen. Am liebsten hätte sie sich umgedreht und wäre geflohen. Was machte er? Es war alles völlig schiefgegangen!
»Heuchler und Verbrecher – unter euch?« fragte Idaho.
Erneut fielen Bellonda die Kom-Augen ein. Er spielte nicht nur mit ihr, sondern auch mit den zusehenden Bewachern! Und er tat es mit ausgesuchter Sorgfalt. Seine Vorstellung erfüllte sie plötzlich mit Ehrfurcht, die ihre Angst jedoch nicht aufhob.
»Ich frage mich, warum Ihre Schwestern Sie tolerieren?« Seine Lippen bewegten sich mit hingebungsvoller Leidenschaft. »Sind Sie eine Böse, derer man bedarf? Eine Quelle wertvoller Daten und – gelegentlich – guter Ratschläge?«
Sie fand ihre Stimme wieder. »Wie können Sie es wagen?« Sie klang guttural und transportierte ihr ätzendstes Gift.
»Es könnte sein, daß Sie Ihre Schwestern stärken.« Mit gleichbleibender Stimme, ohne den Tonfall im geringsten zu ändern: »Schwache Verbindungsglieder erzeugen Stellen, die andere verstärken müssen, was jene anderen wiederum mit mehr Macht versieht.«
Bellonda erkannte, daß sie sich kaum noch auf ihr Mentatverhalten konzentrieren konnte. War es möglich, daß er recht hatte? Sah die Mutter Oberin sie auf diese Weise?
»Sie hatten verbrecherischen Ungehorsam im Sinn, als Sie hierher kamen«, sagte Idaho. »Alles im Namen der Notwendigkeit! Ein kleines Drama für die Kom-Augen, damit Sie hätten beweisen können, daß Ihnen keine andere Wahl geblieben sei.«
Sie stellte fest, daß seine Worte ihre Mentatfähigkeiten restaurierten. Tat er dies wissentlich? Sie war fasziniert von dem Verlangen, seine Verhaltensweise ebenso zu studieren wie seine Worte. Durchschaute er sie tatsächlich so gut? Die Aufzeichnung dieser Begegnung war möglicherweise wertvoller als ihr kleines Vorhaben. Und das Ergebnis war nicht anders!
»Glauben Sie, die Wünsche der Mutter Oberin seien Gesetz?« fragte sie.
»Glauben Sie wirklich, ich sei so blind?« Idaho winkte Teg zu, der gerade zu einer Unterbrechung ansetzen wollte. »Bell! Seien Sie nur Mentat!«
»Ich höre zu.« Wie so viele andere!
»Ich stecke tief in Ihrem Problem.«
»Wir haben Ihnen kein Problem vorgelegt.«
»Oh, doch. Sie haben mir ein Problem vorgelegt, Bell. Sie spucken die Einzelheiten zwar sehr knickrig aus, aber ich weiß Bescheid.«
Bellonda erinnerte sich ganz plötzlich an Odrade, die gesagt hatte: »Ich brauche keinen Mentaten! Ich brauche einen Erfinder!«
»Ihr ... braucht ... mich«, sagte Idaho. »Euer Problem befindet sich zwar noch in seiner Umhüllung, aber es ist da – und muß gelöst werden.«
»Warum sollten wir Sie dazu brauchen?«
»Ihr braucht mein Vorstellungsvermögen, meine Erfindungsgabe; Dinge, die mich angesichts des Zorns Letos am Leben gehalten haben.«
»Sie haben gesagt, er hätte Sie so oft umgebracht, daß Sie die Übersicht verloren haben.« Friß deine eigenen Worte, Mentat!
Er schenkte ihr ein äußerst kontrolliertes Lächeln, das so präzise war, daß weder sie noch die Kom-Augen seine Absicht mißverstehen konnten. »Aber können Sie mir trauen, Bell?«
Er spricht sich selbst schuldig!
»Ohne etwas Neues seid ihr zum Untergang verurteilt«, sagte er. »Es ist nur noch eine Frage der Zeit, das wißt ihr selbst. Vielleicht nicht in dieser Generation, vielleicht nicht einmal in der nächsten. Aber irgendwann doch.«
Teg zerrte heftig an Idahos Ärmel. »Der Bashar könnte helfen, nicht wahr?«
Also hatte der Junge zugehört. Idaho tätschelte Tegs Arm. »Der Bashar reicht nicht aus.« Und dann, Bellonda zugewandt: »Verlierer unter sich. Sollen wir uns um den einzigen Knochen streiten?«
»Das haben Sie schon einmal gesagt.« Und zweifellos wird er es wieder sagen.
»Immer noch Mentat?« fragte er. »Dann vergessen wir das Drama. Entkleiden Sie das Problem seiner romantischen Verklärtheit!«
Dar ist die Romantikerin, nicht ich!
»Was«, fragte Idaho, »ist daran romantisch, wenn winzige Bene Gesserit-Gruppierungen
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