Dune 06: Die Ordensburg des Wüstenplaneten
sie geht. Wir müssen sie sorgfältig beobachten. Du weißt ja – das Atreides-Blut.«
»Ich bin auch eine Atreides, Tam.«
»Glaub nur nicht, daß wir es je vergessen! Glaubst du etwa, wir würden tatenlos zusehen, wenn Mutter Oberin sich dafür entschiede, ihr eigenes Zuchtprogramm zu machen? Unsere Toleranz hat Grenzen, Dar.«
»Tatsächlich, Sheeana, dieser Besuch ist längst überfällig.«
Odrades Tonfall machte Sheeana wachsam. Sie warf ihr plötzlich einen Blick zu, den man in der Schwesternschaft ›BG-Sanftmut‹ nannte, als gäbe es buchstäblich nichts Sanftmütigeres im Universum. Es war nichts anderes als eine totale Maskierung dessen, was dahinter geschah. Es war nicht einfach eine Barriere, es war ein Nichts. Jedes Etwas auf dieser Maske wäre ein Verstoß gewesen. Ein Treuebruch. Sheeana erkannte es augenblicklich und reagierte mit Gelächter.
»Ich wußte, daß du kommen würdest, um die Lage zu sondieren! Das Handgespräch mit Duncan, stimmt's?« Bitte, Mutter Oberin, hab dich doch nicht so!
»Und alles andere, Sheeana.«
»Er möchte, daß ihn jemand rettet, wenn die Geehrten Matres angreifen.«
»Das ist alles?« Hält sie mich für so blöd?
»Nein. Er möchte Informationen über unsere Absichten ... und er will wissen, was wir tun, um der Bedrohung durch sie zu begegnen.«
»Was hast du ihm erzählt?«
»Alles was ich konnte.« Die Wahrheit ist meine einzige Waffe. Ich muß sie ablenken!
»Bist du eine Freundin, die Einfluß auf ihn hat, Sheeana?«
»Ja!«
»Das bin ich auch.«
»Aber nicht Bell und Tam?«
»Meine Informanten sagen, daß Bell ihn nun toleriert.«
»Bell? Tolerant?«
»Du beurteilst sie falsch, Sheeana. Das ist eine deiner Schwächen.« Sie verbirgt etwas. Was hast du getan, Sheeana?
»Sheeana, glaubst du, du könntest mit Bell zusammenarbeiten?«
»Weil ich sie reize?« Mit Bell zusammenarbeiten? Was soll das heißen? Bell wird doch wohl nicht das verdammte Missionaria-Projekt leiten?
Ein kaum sichtbares Zucken ließ Odrades Mundwinkel nach oben rutschen. Schon wieder ein Ulk? Könnte es das sein?
Sheeana war der Hauptgesprächsstoff in den Speisesälen des Zentrums. Geschichten, laut denen sie den Zuchtmeisterinnen (besonders Bell) auf die Nerven ging, und detailreich ausgeschmückte Darlegungen von Verführungen, die man noch mit Rückschlüssen auf die Geehrten Matres interessanter machte, waren würziger als die Nahrung. Odrade hatte erst zwei Tage zuvor einige Häppchen der neuesten Geschichte aufgeschnappt. »Sie sagte: ›Ich habe die Soll-er-sich-ungebührlich-benehmen-Methode angewandt. Sie ist sehr wirkungsvoll bei Männern, die glauben, sie hätten leichtes Spiel mit einem.‹«
»Reizen? Ist es das, was du tust, Sheeana?«
»Ein angemessenes Wort: Umformen, indem man sich gegen den natürlichen Neigungswinkel wendet.« Im gleichen Moment, in dem diese Worte über ihre Lippen kamen, wußte Sheeana, daß sie einen Fehler gemacht hatte.
Odrade verspürte eine warnende Stille. Umformen? Ihr Blick fiel auf den seltsamen schwarzen Klumpen in der Ecke. Sie musterte ihn mit einer Unbeweglichkeit, die sie überraschte. Er saugte ihren Blick auf. Sie tastete weiter nach Kohärenz, nach etwas, das zu ihr sprach. Nichts reagierte jedoch, auch dann nicht, als sie ihre Grenzen testete. Und das ist seine Zweckbestimmung!
»Es heißt ›Leere‹«, sagte Sheeana.
»Von dir?« Bitte, Sheeana, sag, eine andere hat ihn gemacht. Wer dies gemacht hat, ist irgendwohin gegangen, wohin ich ihm nicht folgen kann.
»Ich habe es vor einer Woche während der Nacht gemacht.«
Ist schwarzes Plaz das einzige, das du umformst? »Ein faszinierender Kommentar zur Kunst im allgemeinen.«
»Nicht zur Kunst im besonderen?«
»Ich habe ein Problem mit dir, Sheeana. Du beunruhigst manche Schwestern.« Und mich. Es gibt eine unkontrollierte Stelle in dir, die wir noch nicht ausgemacht haben. Die Atreides-Genmarkierungen, die wir laut Duncan suchen sollen, sind in deinen Zellen. Was haben sie dich erreichen lassen?
»Ich beunruhige meine Schwestern?«
»Besonders dann, wenn sie daran denken, daß du die Jüngste warst, die je die Agonie überlebt hat.«
»Außer den Abscheulichkeiten.«
»Ist es das, was du bist?«
»Mutter Oberin!« Sie hat mir nie absichtlich weh getan – außer wenn sie mir eine Lehre erteilen wollte.
»Du hast die Agonie in einem Akt des Ungehorsams über dich ergehen lassen.«
»Sollte man nicht lieber sagen, ich ließ sie gegen den Rat der
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