Dune 07 - Die Jäger des Wüstenplaneten
Lippen. Es musste jetzt jede Sekunde losgehen.
Khrone ließ ihn eine Ewigkeit in Dunkelheit und schwereloser Isolation hängen.
Wladimir versuchte sich an Erinnerungen aus früheren Sitzungen zu klammern, aber sie entglitten ihm immer wieder. Er wollte die Gedanken nicht verlieren und folgte einem mentalen Pfad, bis er spürte, wie er entlang einer Nervenleitung tief in sein eigenes Gehirn hineingezogen wurde, in ein Reich totaler Finsternis. Er sah winzige Lichtpunkte und strebte ihnen entgegen, doch sie entfernten sich immer weiter von ihm, je mehr er sich bemühte.
Eine weitere Ewigkeit verstrich.
Stunden? Tage?
Er spürte nichts, absolut nichts. Wladimir wollte hier nicht sein. Er wollte zum Licht zurückschwimmen, zu seinem Leben als Ghola, bevor diese Sitzung begonnen hatte. Aber er konnte es nicht. Es war eine Falle!
Irgendwann schrie er. Zuerst tat er es nur, um irgendeinen Laut von sich zu geben, um die erdrückende Leere zu durchbrechen. Dann schrie er wirklich, und nachdem er einmal angefangen hatte, konnte er nicht mehr damit aufhören.
Trotzdem blieb die Stille. Er wollte sich wehren und um sich schlagen, aber das Feld verhinderte jede Bewegung. Er konnte nicht atmen. Er konnte nicht hören. Hatten die Gestaltwandler ihn irgendwie blind und taub gemacht?
Wladimir machte sich nass, und für eine kurze Weile war die bloße Empfindung eine Offenbarung, aber auch sie verschwand bald wieder. Und wieder fiel er allein in die leere, lautlose Finsternis zurück. Er brauchte Sinnesempfindungen, Reize, Schmerzen, Interaktion, Vergnügen. Irgendetwas!
Schließlich wurde er sich einer allmählichen Veränderung um sich herum bewusst. Nichtexistente Lichter, Klänge und Gerüche sickerten herein und füllten langsam das stygische Universum aus, konvertierten es in etwas anderes. Selbst der winzigste Schimmer war wie eine Explosion. Mit diesem Katalysator strömten Sinnesempfindungen in seinen bewussten und unbewussten Geist und füllten jeden Winkel aus. Schmerz, ein rein mentaler Schmerz, drohte seinen Kopf platzen zu lassen.
Wieder schrie er. Diesmal war es ein Schmerz, dem er nicht das geringste Vergnügen abgewinnen konnte.
Das gesamte Leben des Barons Wladimir Harkonnen überschwemmte den Ghola mit der Wucht einer Lawine. Jeder Gedanke, jede Erfahrung kehrte in ihn zurück, bis zum Moment seines ersten Todes auf Arrakis. Er sah, wie die kleine Alia ihn mit der vergifteten Nadel stach, dem Gom Jabbar ...
Das interne Universum expandierte, und ihm wurde bewusst, dass er wieder Stimmen hörte. Er war jetzt außerhalb der Kammer. Man hatte ihn aus der großen sargähnlichen Maschine gezogen.
Der Baron setzte sich indigniert auf, bemerkte überrascht und zufrieden seinen jüngeren Körper, der durch Völlerei etwas rundlich geworden war, aber nie unter der aufblähenden und schwächenden Krankheit gelitten hatte, die die alte Mohiam ihm angehext hatte. Er blickte an sich hinab und schaute dann grinsend zu den Gestaltwandlern auf. »Oho! Das Erste, was ich möchte, ist eine bessere Garderobe. Und dann will ich dieses Atreides-Balg sehen, das ihr für mich herangezüchtet habt.«
Khrone trat mit fragender Miene näher an ihn heran. »Sie haben Zugang zu allen Ihren Erinnerungen, Baron?«
»Natürlich! Baron Harkonnen ist wieder da!« Er streifte durch seine Gedanken und fühlte sich durch all das bestätigt, was er in seinem ersten, ruhmreichen Leben geleistet hatte. Er war entzückt, wieder er selbst zu sein.
Doch tief in seinem Gehirn, im Hintergrund seines Geistes, spürte er, dass etwas nicht stimmte, etwas, das er nicht unter Kontrolle hatte. Eine ungewollte Präsenz hatte sich ihm mental zugesellt, sich an sein Gedächtnis angehängt.
Hallo, Großvater, sagte eine Mädchenstimme und kicherte.
Der Kopf des Barons fuhr herum. Woher war das gekommen? Er konnte das Gör nirgendwo sehen.
Hast du mich schon vermisst, Großvater?
»Wo bist du?«
Dort, wo du mich nie verlieren wirst. Ich werde für immer bei dir sein. Genauso wie du bei mir warst, mich verfolgt hast, in meinen Visionen erschienen bist, mir keine Ruhe gelassen hast. Das Kichern des Mädchens wurde schriller. Jetzt kann ich es dir heimzahlen.
Es war die Abscheulichkeit, Pauls Schwester. »Alia? Nein, nein!« Sein Verstand musste ihm einen Streich spielen. Er drückte die Finger gegen die Schläfen, aber die Stimme war in ihm, unerreichbar. Mit der Zeit würde sie sicherlich verschwinden.
Verlass dich lieber nicht darauf, Großvater.
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