Dune 08 - Die Erlöser des Wüstenplaneten
vorzuführen, da sie bezweifelte, dass irgendjemand sie beobachtete, sondern weil es notwendig war, damit sie zur Erkenntnis gelangte.
Monarch wartete mit offenem Maul auf sie. Der Wurm wurde zu einem geheimen Eingang, der wie die Verlockung eines gefährlichen Liebhabers war. Sheeana ging am Fallgitter der Crysmesser-Zähne vorbei und kniete sich in den Rachen, wo sie den intensiven Zimtgeruch einatmete. Ihr wurde schwindlig, und sie bekam kaum noch Luft. Der Sandwurm rührte sich nicht. Sie zwang sich dazu, tiefer vorzudringen, sich zu opfern, obwohl sie davon überzeugt war, dass ihr Opfer nicht angenommen würde. Das war es nicht, was der Wurm von ihr wollte.
Ohne sich noch einmal umzublicken, kroch sie tiefer in den Rachen hinein in die trockene, dunkle Wärme. Monarch ließ es reglos geschehen. Sheeana ging weiter und spürte, wie sich ihr Atem verlangsamte. Immer weiter drang sie vor, bis sie den Wurm nach ihrer Einschätzung mindestens zur Hälfte durchquert hatte. Ohne die Reibungshitze, die beim Durchstreifen der endlosen Wüste erzeugt wurde, war es in der Kehle des Geschöpfes nicht mehr heiß wie in einem Glutofen. Ihre Augen gewöhnten sich an das, was sich nun doch nicht als totale Finsternis offenbarte. Sie sah ihre Umgebung in einem unheimlichen Licht, das sie nicht auf die übliche Weise mit den Augen wahrzunehmen schien, sondern eher mit einem anderen, geistigen Sinn. Sie erahnte die rauen Oberflächen, die sie umgaben, und während sie weiterging, wurde der Geruch nach unverdauten Melangevorstufen immer stärker und konzentrierter.
Schließlich erreichte sie eine fleischige Höhle, die vielleicht Monarchs Magen war, auch wenn es hier keine Verdauungssäuren gab. Wovon lebten die gefangenen Sandwürmer? Der Gewürzduft war hier so stark, wie sie ihn noch nie zuvor erlebt hatte, und ein normaler Mensch wäre vermutlich längst daran erstickt.
Aber ich bin kein normaler Mensch.
Sheeana lag in der Wärme, nahm sie in sich auf und ließ die Melange durch jede Pore ihres Körpers eindringen, während sie spürte, wie Monarchs schwaches Bewusstsein mit ihrem verschmolz. Sie atmete tief ein und empfand eine große, kosmische Ruhe, als wäre sie in den Leib der Großen Mutter des Universums zurückgekehrt.
Trotz des ungewöhnlichen Besuchers tief in seinem Rachen tauchte der Wurm überraschend in die künstliche Wüste ab und bewegte sich durch den Sand. Er nahm Sheeana mit auf eine außerordentliche Reise. Als wäre sie direkt mit Monarchs Nervensystem verbunden, konnte Sheeana durch den augenlosen Wurm hindurchsehen und seine Artgenossen unter dem Sand wahrnehmen. Gemeinsam bildeten die sieben Sandwürmer im Frachtraum feine Adern von Gewürz.
Sie bereiten sich vor.
Sheeana verlor jedes Zeitgefühl und dachte erneut an Leto II., dessen Bewusstseinsperlen sich nun in diesem Geschöpf und allen anderen befanden. Sie fragte sich, welchen Platz sie in diesem Reich des Paranormalen einnahm. Den als Gemahlin des Gottkaisers? Als weiblicher Teil der Gottheit? Oder als etwas ganz anderes, eine Entität, die sie sich nicht einmal ansatzweise vorstellen konnte?
Die Würmer verbargen Geheimnisse, und Sheeana verstand, wie ähnlich die Ghola-Kinder ihnen in diesem Punkt waren. Jedes Kind trug in jeder einzelnen Zelle einen Schatz in sich, der größer als das Gewürz war – ihre vergangenen Erinnerungen und Leben. Paul und Chani, Jessica, Yueh, Leto II. Selbst Thufir Hawat, Stilgar, Liet-Kynes ... und nun auch noch das Baby Alia. Jeder von ihnen würde eine entscheidende Rolle spielen, aber nur, wenn sie sich erinnern konnten, wer sie gewesen waren.
Sie sah jedes der Bilder, aber sie kamen nicht aus ihrer eigenen Vorstellungskraft. Die Sandwürmer wussten, was in diesen verlorenen Gestalten verborgen war. Eine dringende Botschaft raste nun wie ein Wüstensturm auf sie zu. Die Zeit und damit ihre Überlebenschancen schwanden viel zu schnell dahin. Sie stellte sich eine Abfolge der möglichen Gholas vor, die alle wie scharf gemachte Waffen waren, aber das Bild, was jeder Einzelne leisten konnte, blieb verschwommen.
Sie durfte nicht länger auf den Feind warten. Sie musste jetzt handeln.
Der Wurm tauchte wieder auf, und nachdem er sich durch den Sand bewegt hatte, hielt er mit einem Ruck an. In seinem Innern gewann Sheeana ihr Gleichgewicht zurück. Dann zog das Geschöpf die Membranen zusammen, um sie behutsam nach draußen zu drängen. Sie kroch aus dem Maul und stürzte in den Sand.
Staub und Splitt
Weitere Kostenlose Bücher