Dune - Frühe Chroniken 01 - Das Haus Atreides
bis er sich schließlich mit den beruhigenden, aber komplexen Klängen des neunsaitigen Balisets anfreundete. An eine Burgwand gelehnt zupfte er einfache Lieder und spielte nach dem Gehör Melodien, an die er sich aus seiner Kindheit erinnerte, oder komponierte eigene Tonfolgen.
Seine Schwester Kailea lauschte häufig seinem Spiel, wenn sie sich in Geschichte und Religion weiterbildete, dem traditionellen Lernstoff für junge adelige Frauen. Helena Atreides half ihr bei den Lektionen, nachdem Herzog Paulus darauf bestanden hatte. Kailea gab sich alle Mühe, während sie versuchte, sich mit ihrer neuen Situation als politische Gefangene in Burg Caladan abzufinden, obwohl sie niemals den Traum von einer besseren Zukunft aufgab.
Leto wusste, dass die Missbilligung seiner Mutter viel tiefer lag, als die ungetrübte Oberfläche ihres Gesichts in der Öffentlichkeit ahnen ließ. Helena war eine strenge Lehrerin, worauf Kailea sich um so mehr Mühe gab.
Eines späten Abends stieg Leto zum Turmzimmer hinauf, nachdem sich seine Eltern bereits zur Nachtruhe zurückgezogen hatten. Er wollte seinen Vater fragen, ob sie auf einem der Atreides-Schoner zu einem Tagesausflug entlang der Küste mitfahren durften. Doch als er sich der Holztür des herzoglichen Schlafgemachs näherte, hörte er, dass Paulus und Helena in eine angeregte Diskussion verwickelt waren.
»Was hast du unternommen, um ein neues Heim für die beiden zu finden?« An der Art, wie seine Mutter die Worte aussprach, erkannte Leto sofort, wen sie meinte. »Irgendein Kleines Haus auf einer Randwelt würde sie doch bestimmt aufnehmen, wenn du eine angemessene Summe zahlst.«
»Ich habe nicht vor, diese Kinder fortzuschicken, und das weißt du ganz genau. Sie sind unsere Gäste. Hier sind sie in Sicherheit vor den verabscheuungswürdigen Tleilaxu.« Seine Stimme senkte sich zu einem tiefen Grollen. »Ich verstehe nur nicht, warum Elrood seine Sardaukar noch nicht geschickt hat, um die Höhlen von Ix von diesem Ungeziefer zu säubern.«
Sofort kam Lady Helenas brüske Erwiderung. »Trotz ihrer unangenehmen Eigenschaften werden die Tleilaxu zweifellos dafür sorgen, dass die Fabriken von Ix wieder im Sinne der Gesetze arbeiten, die nach Butlers Djihad aufgestellt wurden.«
Paulus schnaufte verzweifelt, aber Leto wusste, dass seine Mutter es völlig ernst meinte, was ihn um so mehr erschreckte. Ihre Stimme wurde noch inbrünstiger, als sie versuchte, ihren Ehemann zu überzeugen.
»Siehst du denn nicht, dass möglicherweise ein tieferer Sinn hinter all diesen Ereignissen steht? Du hättest Leto niemals nach Ix schicken dürfen – er ist bereits durch ihre Lebensart verdorben worden, durch ihren Hochmut und ihre Ignoranz gegenüber den Gesetzen Gottes. Aber nun musste Leto wegen der Revolte zurückkehren. Mach also nicht noch einmal denselben Fehler.«
»Fehler? Ich bin sehr zufrieden mit dem, was unser Junge gelernt hat. Er wird eines Tages ein guter Herzog sein.« Leto hörte das Poltern eines in die Ecke geschleuderten Stiefels. »Hör auf, dir Sorgen zu machen. Tun dir Rhombur und Kailea denn kein bisschen Leid?«
Unbeirrt erwiderte sie: »Das Volk von Ix hat in seinem Hochmut das Gesetz gebrochen, und es hat dafür bezahlt. Sollte es mir deshalb Leid tun? Ich glaube nicht.«
Paulus schlug mit der Hand gegen irgendein Möbelstück, dann hörte Leto, wie Holz über Stein scharrte, ein Stuhl, der zur Seite geschoben wurde. »Soll ich etwa glauben, dass du gut genug mit den Vorgängen auf Ix vertraut bist, um ein solches Urteil fällen zu können? Oder bist du längst zu einer Schlussfolgerung gelangt, die sich auf das gründet, was du hören willst, ohne dich durch den völligen Mangel an Beweisen irritieren zu lassen?« Er lachte, und nun wurde sein Tonfall etwas sanfter. »Außerdem scheinst du recht gut mit der jungen Kailea zurechtzukommen. Sie mag dich. Wie kannst du zu mir solche Dinge über sie sagen und ihr dann ein freundliches Gesicht zeigen?«
Helena ließ nicht locker. »Die Kinder können nichts dafür, Paulus. Sie sind nicht gefragt worden, ob sie dort geboren werden wollten, ob sie dort aufwachsen wollten, wo sie niemals die wahre Lehre hören würden. Glaubst du, dass sie jemals die Orange-Katholische Bibel in der Hand gehalten haben? Es ist nicht ihre Schuld. Sie sind, was sie sind, und dafür kann ich sie nicht hassen.«
»Warum willst du dann ...?«
Sie antwortete mit solcher Vehemenz, dass Leto unwillkürlich einen Schritt von der Tür
Weitere Kostenlose Bücher