Dune - Frühe Chroniken 01 - Das Haus Atreides
um genauso wie der Wurm jeden Fetzen seines Fleisches zu genießen.
Halb so schlimm, sagte sich der Baron. Für den alten Mann habe ich etwas genauso Interessantes im Sinn.
47
Sprich die Wahrheit. Das ist immer am leichtesten und häufig das stärkste Argument.
Axiom der Bene Gesserit
Duncan Idaho starrte den monströsen salusanischen Stier durch das Kraftfeldgitter seines Käfigs an – der Blick eines Kindes, der sich mit dem Facettenauge einer wilden Bestie traf. Der Stier hatte schuppige schwarze Haut, mehrere Hörner und zwei Gehirne, die nur zu einem Gedanken fähig waren: Vernichte alles, was sich bewegt.
Der Junge arbeitete jetzt schon seit einigen Wochen in den Ställen und gab sich selbst bei den schmutzigsten Aufgaben alle Mühe. Er fütterte die Kampfstiere und gab ihnen Wasser, er mistete die verdreckten Käfige aus, während die Bestien von Kraftfeldbarrieren zurückgedrängt wurden, damit sie sich nicht auf ihn stürzen konnten.
Seine Arbeit machte ihm Spaß, auch wenn andere sie als erniedrigend betrachteten. Für Duncan war es nicht einmal eine Tätigkeit von geringerem Wert, obwohl er wusste, dass einige der anderen Stalljungen so dachten. Es war eine Pflicht, die er zu erledigen hatte und die mehr als angemessen in Form von Freiheit und Zufriedenheit bezahlt wurde. Weil sein Wohltäter, der Herzog Paulus Atreides, so großzügig zu ihm gewesen war, liebte er den alten Mann über alles.
Duncan hatte jetzt stets genug zu essen, ein Dach über dem Kopf und frische Kleidung, wann immer er welche benötigte. Obwohl ihn niemand dazu aufforderte, arbeitete er trotzdem hart und fleißig. Ihm blieb sogar etwas Freizeit zur Entspannung, und er traf sich mit den anderen Arbeitern im Sportzentrum. Er konnte auch jederzeit ins Meer springen und schwimmen, wenn ihm danach war, und ein freundlicher Mann aus dem Hafen nahm ihn gelegentlich auf ganztägigen Fischzügen mit.
Zu der Zeit hielt der alte Herzog fünf Exemplare der mutierten Kampfstiere. Duncan hatte versucht, sich mit den Bestien anzufreunden, sie zu zähmen, indem er sie mit saftigem grünem Gras oder frischem Obst bestach, bis der Stallmeister Yresk ihn dabei erwischte.
»Der alte Herzog braucht sie für seine Stierkämpfe – glaubst du, es wäre ihm lieber, wenn sie zahm wären?« Seine großen Augen waren vor Wut noch größer geworden. Der weißhaarige Stallmeister hatte ihn auf Anweisung des Herzogs akzeptiert, aber nur widerstrebend, und er ließ Duncan keine Sonderbehandlung zukommen. »Er will, dass sie angreifen. Er will nicht, dass die Tiere behaglich schnurren, wenn er auf der Plaza de Toros auftritt. Was würden die Leute denken?«
Duncan ließ die Ohren hängen und verzog sich. Stets gehorsam versuchte er nie wieder, die Bestien in Haustiere zu verwandeln.
Er hatte Holoaufzeichnungen von den bisherigen Kämpfen des Herzogs gesehen und auch die Auftritte anderer berühmter Matadore. Einerseits machte es ihn traurig zu sehen, wie seine großartigen Schützlinge niedergemetzelt wurden, andererseits war er überwältigt vom Mut und der Selbstsicherheit des Herzogs.
Die letzte corrida auf Caladan war als Abschiedsfeier für Leto Atreides veranstaltet worden, als er nach Ix aufgebrochen war. Nach vielen Monaten sollte es jetzt eine weitere geben, einen großen Stierkampf, den der alte Herzog vor kurzem angekündigt hatte, diesmal zur Unterhaltung seiner Gäste von Ix, die auf Caladan im Exil lebten. Exil. In gewisser Weise lebte auch Duncan im Exil ...
Obwohl er sein eigenes Schlafquartier in einem Gemeinschaftsgebäude hatte, in dem viele der Arbeiter wohnten, legte sich Duncan manchmal in den Ställen schlafen, wo er das Schnaufen und Scharren der Tiere hören konnte. Er hatte in seinem Leben schon viel schlimmere Umstände bewältigt. Die Ställe waren sogar recht gemütlich, und er genoss es, mit den Tieren allein zu sein.
Immer wenn er hier unten schlief, lauschte er in seinen Träumen auf die Regungen der Stiere. Er entwickelte ein immer besseres Gespür für ihre Stimmungen und Instinkte. Doch seit einigen Tagen waren die Geschöpfe zunehmend unruhig und aufbrausend geworden und randalierten immer häufiger in ihren Ställen ... als würden sie ahnen, dass ihre Nemesis, der alte Herzog, einen neuen Stierkampf angesetzt hatte.
Irgendwann bemerkte der junge Duncan frische, tiefe Kratzer in den Käfigen, wo sich die salusanischen Stiere dagegengeworfen hatten, im vergeblichen Versuch, auszubrechen oder einen
Weitere Kostenlose Bücher