Dune - Frühe Chroniken 01 - Das Haus Atreides
der Sitzung kaum noch jemand die Energie aufbringen würde, sich auf etwas ganz Neues zu konzentrieren.
»Viele von Ihnen waren Freunde und Verbündete meines Vaters Paulus Atreides«, begann er, um unmittelbar darauf die Bombe platzen zu lassen, »... der vor kurzem einem abscheulichen und feigen Mordanschlag zum Opfer fiel.« Er warf einen vielsagenden Blick zur Loge, die von den Repräsentanten des Hauses Harkonnen besetzt war. Er kannte weder die Namen noch die Titel der beiden Männer, die als Vertreter der Feinde seines Hauses im Landsraad saßen.
Seine Andeutung war unüberhörbar, obwohl er kein Wort dazu sagte und auch keinen stichhaltigen Beweis liefern konnte. Stallmeister Yresk, der die Vernehmung wie erwartet nicht überlebt hatte, hatte Helenas Komplizenschaft bestätigt, wusste aber nichts von einer weiterreichenden Verschwörung. Daher benutzte der neue Herzog Atreides diese Feststellung nur zu dem Zweck, die Aufmerksamkeit der gelangweilten Sitzungsteilnehmer zu fesseln – und genau das war ihm offensichtlich gelungen.
Die Harkonnens flüsterten sich etwas zu und warfen nervöse Blicke zum Podium. Leto beachtete sie nicht weiter, sondern wandte sich wieder an die Masse der Repräsentanten.
Genau vor ihm auf den Plätzen des Hauses Mutelli erkannte er den alten Grafen Flambert, einen uralten Herrn, dem schon vor vielen Jahren das Gedächtnis abhanden gekommen war, wie es hieß. Daher hatte er stets einen ehemaligen Mentatenschüler mit blondem Haar an seiner Seite, der ihm als externes Langzeitgedächtnis diente. Die einzige Aufgabe des gescheiterten Mentaten bestand darin, den alten Flambert an alle möglichen Dinge zu erinnern, ihm zahllose Daten zur Verfügung zu stellen, die für den Adelsmann nützlich sein mochten. Obwohl er seine Ausbildung zum menschlichen Computer nie abgeschlossen hatte, reichten seine Fähigkeiten zur Erfüllung dieser Aufgabe aus.
Letos Stimme erreichte selbst den hintersten Winkel des Saals und war so klar und präzise wie das Läuten der Bojenglocken an einem kühlen caladanischen Morgen. »Eine Inschrift über der Haustür des Imperators besagt: ›Das Gesetz ist die letzte Wissenschaft.‹ So stehe ich hier nicht in meinem eigenen Interesse, sondern im Namen eines ehemaligen Großen Hauses, das nicht mehr selbst vor diesen Rat treten kann. Das Haus Vernius war ein enger Verbündeter meiner Familie.«
Mehrere Leute in seiner Nähe stöhnten auf. Andere wurden ungeduldig. Sie hatten sich schon zu oft mit diesem Thema beschäftigen müssen.
Unerschrocken fuhr der junge Atreides fort: »Graf Dominic Vernius und seine Familie waren gezwungen, in den Untergrund zu gehen, nachdem Ix unrechtmäßig von den Bene Tleilax in Besitz genommen wurde – die jeder von uns als verdorbenes und abscheuerregendes Volk kennt, das nicht würdig ist, seine Vertreter in dieses ehrwürdige Haus zu entsenden. Als das Haus Vernius in dieser unerhörten Notlage um Hilfe und Unterstützung rief, hat keiner von Ihnen auch nur den Finger gerührt, sondern die Sache solange verschleppt, bis jedes Hilfsangebot zu spät gekommen wäre.« Leto gab darauf Acht, nicht mit dem Finger auf Elrood zu deuten, obwohl es für ihn feststand, dass der Imperator für die Verzögerungstaktik verantwortlich war.
Ein raunendes Stimmengewirr erhob sich im Versammlungssaal des Landsraads. Leto entging nicht, dass man ihn offenbar als jungen Emporkömmling betrachtete, einen ungestümen Unruhestifter ohne Benehmen, der noch keine Ahnung von der Ordnung der Dinge im Imperium hatte. Er besaß die Dreistigkeit, völlig offen über solche unangenehmen Themen zu sprechen!
Doch Leto ließ sich nicht beirren. »Sie alle kennen Dominic Vernius als ehrenhaften, vertrauenswürdigen Mann. Sie alle haben Geschäfte mit Ix gemacht. Gibt es jemanden unter Ihnen, der Dominic noch nie als seinen Freund bezeichnet hat?« Er blickte sich um, sprach aber sofort weiter, bevor irgendjemand sich traute, die Hand zu heben.
»Obwohl ich kein Mitglied der Familie Vernius bin, haben die Tleilaxu-Invasoren auch mein Leben bedroht. Durch die Hilfe meines Vaters konnte ich mit Mühe der Gefahr entrinnen. Graf Vernius und seine Frau flohen ebenfalls und mussten ihren gesamten Besitz zurücklassen – und vor kurzem wurde Lady Shando Vernius brutal ermordet, nachdem man sie wie ein Tier gejagt hatte!« Vor Wut und Trauer wurde ihm schwindlig; erst nach einem tiefen Atemzug konnte er weitersprechen.
»Alle die mich hören können, sollen
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