Dune - Frühe Chroniken 01 - Das Haus Atreides
Epochen von Alt-Terra, auf denen unerforschte, geheimnisvolle Regionen einfach mit der Warnung »Hier leben Ungeheuer« markiert worden waren. Richtig, dachte er, als er sich an Rabbans Jagd auf den unglaublichen Sandwurm erinnerte. Hier leben tatsächlich Ungeheuer.
Während er auf dem Grat des Randwalls stand, zog er die Nasenstöpsel des Destillanzugs heraus und rieb sich eine wunde Stelle, wo der Filter ständig gegen seine Haut scheuerte. Dann nahm er auch das Mundstück ab, damit er einen tiefen Zug von der versengten, spröden Luft nehmen konnte. Durch seine Vorbereitungen wusste er, dass er sich nicht ohne zwingenden Grund einem solchen Wasserverlust aussetzen sollte, aber Kynes musste die Düfte und feinen Schwingungen Arrakis' in sich aufnehmen, er musste den Herzschlag des Planeten wahrnehmen.
Er roch den heißen Staub, die subtile Salzigkeit der Mineralien, den ausgeprägten Geschmack des Sandes, der verwitterten Lava und des Basalts. Auf dieser Welt fehlten die feuchten Ausdünstungen wachsender oder verwelkender Vegetation, die Gerüche, die den Zyklus des Lebens und des Todes begleiteten. Nur Sand und Gestein und wieder Sand.
Doch bei genauerer Betrachtung wimmelte es selbst in der ödesten Wüste vor Leben; es gab spezialisierte Pflanzen sowie Insekten und größere Tiere, die sich an ökologische Nischen dieser lebensfeindlichen Welt angepasst hatten. Er kniete sich nieder, um schattige Winkel im Felsen zu inspizieren, winzige Höhlen, in denen sich Spuren des Morgentaus sammeln mochten. Dort klammerten sich flechtenartige Gewächse an die raue Oberfläche des Gesteins.
Ein paar harte Kügelchen markierten die Hinterlassenschaft eines kleines Nagetiers, vielleicht einer Känguruhmaus. In dieser Höhe mochten sich außerdem Insekten angesiedelt haben, neben etwas dürftigem Gras oder widerstandsfähigen Kräutern. In den Steilwänden suchten sogar einige Fledermäuse Schutz, um in der Dämmerung auszufliegen und Nachtfalter und Mücken zu jagen. Im emailleblauen Himmel entdeckte er gelegentlich einen dunklen Punkt, bei dem es sich um einen Falken oder einen anderen Raubvogel handeln konnte. Für solche Tiere mussten die Lebensbedingungen besonders hart sein.
Wie schafften es dann erst die Fremen hier zu überleben?
Auf den Dorfstraßen hatte er ihre staubbraunen Gestalten beobachtet, doch die Wüstenbewohner blieben unter sich, gingen ihren Geschäften nach und verschwanden wieder. Kynes bemerkte, dass die »zivilisierten« Dorfbewohner sie anders behandelten, aber es wurde nicht ganz klar, ob es aus Ehrfurcht oder Verachtung geschah. Der Glanz kommt aus den Städten, besagte ein altes Fremen-Sprichwort, und die Weisheit aus der Wüste.
Nach den spärlichen anthropologischen Daten, auf die er gestoßen war, stellten die Fremen das Überbleibsel eines uralten Wandervolks dar, der Zensunni, die als Sklaven von einer Welt zu nächsten verschleppt worden waren. Nach ihrer Befreiung oder vielleicht der Flucht aus der Gefangenschaft hatten sie jahrhundertelang versucht, eine neue Heimat zu finden, doch sie waren weiterhin überall verfolgt worden. Schließlich hatten sie sich hier auf Arrakis niedergelassen – und sich irgendwie am Leben erhalten.
Als er einmal versucht hatte, eine vorbeigehende Fremen-Frau anzusprechen, hatte sie ihn mit schockierend blauen Augen fixiert, deren Weiß vollständig vom Indigo der Gewürzsucht durchtränkt war. Dieser Anblick hatte alle Fragen aus seinem Geist gefegt, und bevor Kynes irgendein weiteres Wort an sie hatte richten können, war die Fremen-Frau weitergeeilt und hatte ihren zerlumpten braunen Djhubba-Mantel enger über den Destillanzug gerafft.
Kynes hatte Gerüchte vernommen, dass sich größere Bevölkerungszentren der Fremen in den Becken und den Felstürmen des Schildwalls verbargen. Wie gelang es ihnen, vom Land zu leben, das so wenig Leben ernähren konnte ...?
Kynes musste noch vieles über Arrakis lernen, und er war überzeugt, dass die Fremen ihm sehr viel beibringen konnten. Wenn es ihm nur gelang, Kontakt mit ihnen aufzunehmen.
* * *
Im dreckigen, grobkantigen Carthag hatten die Harkonnens den unerwünschten Planetologen nur widerstrebend mit extravagantem Material ausgestattet. Der Lagerverwalter hatte mit finsterer Miene das Siegel des Padischah-Imperators auf Kynes' Liste angestarrt und ihm schließlich erlaubt, Kleidung, ein Destillzelt, ein Überlebenspaket, vier Literjons Wasser, einige konservierte Rationen und einen
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