Dune - Frühe Chroniken 01 - Das Haus Atreides
Wände hinauf. Wie viele Menschen leben in diesem Sietch? Kynes blickte durch den leeren, hallenden Raum nach oben, wo es einen weiteren Balkon gab, offensichtlich die Plattform für einen Sprecher.
Nach einer Weile trat dort ein stolzer alter Mann ins Licht, um verächtlich auf den Eindringling herabzublicken. Kynes bemerkte, dass der Mann nur ein Auge hatte und das Charisma eines Anführers vieler Menschen ausstrahlte.
»Das ist Heinar«, flüsterte Turok ihm ins Ohr, »der Naib des Rotwall-Sietch.«
Kynes hob eine Hand zum Gruß und rief: »Ich fühle mich geehrt, dem Anführer dieser wundersamen Fremen-Stadt zu begegnen.«
»Was willst du von uns, Mann des Imperiums?«, rief Heinar zurück, in einem Tonfall, der erbarmungslos und fordernd war. Seine Worte schlugen wie kalter Stahl gegen die Steinwände.
Kynes atmete tief durch. Auf eine solche Gelegenheit hatte er seit vielen Tagen gewartet. Warum sollte er noch mehr Zeit vergeuden? Je länger die Träume nur Träume blieben, desto schwieriger wurde es, sie Wirklichkeit werden zu lassen.
»Mein Name ist Pardot Kynes. Ich bin Planetologe im Auftrag des Kaisers. Ich habe eine Vision – einen Traum für Sie und Ihr Volk. Einen Traum, den ich mit allen Fremen teilen möchte, wenn Sie bereit sind, mich anzuhören.«
»Es ist besser, dem Wind zuzuhören, wie er durch einen Strauch pfeift, als seine Zeit mit den Worten eines Narren zu vergeuden«, erwiderte der Sietch-Anführer, und es klang wie ein altes Sprichwort, das jeder in seinem Volk kannte.
Kynes ließ sich nicht einschüchtern und legte sich schnell selbst eine Platitüde zurecht, in der Hoffnung, damit Eindruck zu schinden. »Aber wer sich weigert, Worten der Wahrheit und Hoffnung zuzuhören – ist er nicht ein viel größerer Narr?«
Der junge Turok schnappte hörbar nach Luft. Aus den Nebengängen wurde Kynes von Fremen mit weit aufgerissenen Augen angestarrt, die es nicht fassen konnten, dass ein Fremder so unverfroren zu ihrem Naib sprach.
Heinars Miene verfinsterte sich. Sein Groll wurde entfacht, und er stellte sich vor, wie dieser dahergelaufene Planetologe mit durchgeschnittener Kehle auf dem Höhlenboden lag. Er legte eine Hand an den Griff des Crysmessers an seiner Hüfte. »Willst du mich herausfordern?« Entschlossen riss der Naib das Messer mit der gekrümmten Klinge aus der Scheide und blickte düster auf Kynes herab.
»Nein«, sagte Kynes, ohne mit der Wimper zu zucken, »ich fordere nur Ihre Einbildungskraft heraus. Sind Sie mutig genug, sich meinen Worten zu stellen, oder haben Sie Angst vor dem, was ich zu sagen habe?« Der Sietch-Anführer stand reglos da, das ungewöhnliche milchige Messer hoch erhoben, während er auf den Gefangenen herabstarrte. Kynes antwortete ihm einfach mit einem offenen Lächeln. »Es ist schwierig, sich mit Ihnen zu unterhalten, wenn Sie dort oben stehen.«
Endlich lachte Heinar und betrachtete die Klinge in seiner Hand. »Wenn ein Crysmesser gezogen wurde, darf es nicht wieder eingesteckt werden, bevor es Blut geschmeckt hat.« Im nächsten Moment zog er sich die Spitze über den Unterarm und fügte sich einen dünnen roten Schnitt zu. Das austretende Blut war bereits nach wenigen Sekunden geronnen.
Kynes' Augen funkelten erregt im Schein der Leuchtgloben, die in der großen Versammlungshalle schwebten.
»Also gut, Planetologe. Du sollst reden, bis der Atem deiner Lungen versiegt. Dein Schicksal bleibt unentschieden, und du bleibst in diesem Sietch, bis der Ältestenrat entschieden hat, was mit dir geschehen soll.«
»Aber zuerst werden Sie mich anhören«, setzte Kynes zuversichtlich hinzu.
Heinar wandte sich um, trat einen Schritt vom hohen Balkon zurück und warf ihm einen Blick über die Schulter zu. »Du bist ein seltsamer Mann, Pardot Kynes. Ein Diener des Kaisers und ein Gast der Harkonnens – was dich automatisch zu unserem Feind macht. Aber du hast Soldaten der Harkonnens getötet. Du bringst uns in eine missliche Situation.«
Der Anführer vollführte ein paar schnelle Gesten und blaffte ein paar Befehle. Für den groß gewachsenen und neugierigen Planetologen, der gleichzeitig ihr Gefangener und ihr Gast war, sollte ein kleiner, aber bequemer Raum vorbereitet werden.
Und als Heinar fortging, dachte er: Jeder Mann, der Worte der Hoffnung zu den Fremen spricht, nach unseren vielen Generation des Leidens und der Wanderungen ... ist entweder geistesgestört oder in der Tat ein äußerst tapferer Mann.
23
Mein Vater hatte nur einen
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