Dune - Frühe Chroniken 02 - Das Haus Harkonnen
konnte.
Zögernd und mit bleischweren Schritten näherte sich Kailea dem Bett. Sie blickte auf Letos verbranntes Gesicht und versuchte sich an den Zorn zu erinnern, den sie auf ihn empfunden hatte. Sie dachte wieder an die furchtbaren Dinge, die Chiara ihr erzählt hatte, an die vielen Gelegenheiten, bei denen Leto Atreides ihre Hoffnungen und Träume zerstört hatte.
Dennoch erinnerte sie sich lebhaft daran, wie sie das erste Mal miteinander geschlafen hatten. Es war sozusagen ein dummer Zufall gewesen, nachdem der Herzog mit Goire und den Wachen zu viel caladanisches Ale getrunken hatte. Leto hatte einen Krug über seine Kleidung verschüttet und war durch die Burggänge gewankt. Dort war er auf Kailea gestoßen, die noch keinen Schlaf gefunden hatte. Als sie bemerkte, in welchem Zustand er war, tadelte sie ihn vorsichtig und führte ihn dann in sein Privatgemach.
Sie hatte ihm eigentlich nur helfen wollen, zu Bett zu gehen, um sich sofort wieder zu entfernen. Mehr nicht. Obwohl sie diese Situation viele Male in ihrer Phantasie durchgespielt hatte. Nachdem sie ihn seit so langer Zeit begehrt hatte ...
Nach allem, was sie gemeinsam durchgestanden hatten, konnte sie ihn doch nicht plötzlich hassen, oder?
Als sie ihn jetzt betrachtete, wie er verletzt und reglos dalag, erinnerte sie sich daran, wie gerne er mit seinem Sohn gespielt hatte. Sie hatte einfach nicht wahrhaben wollen, dass er den Jungen genauso wie sie geliebt hatte.
Victor! Sie presste die Augenlider fest zusammen und schlug sich die Hände vors Gesicht. Tränen sickerten durch ihre Finger.
Leto rührte sich und blickte sie mit halb wachen, geröteten Augen an. Es dauerte eine Weile, aber dann erkannte er sie. Sein Gesicht schien die Härte des pflichterfüllten Herzogs verloren zu haben und zeigte nur noch offene Gefühle. »Kailea?«, sagte er mit einem gedehnten Krächzen.
Sie wagte es nicht, ihm zu antworten, sondern biss sich auf die Unterlippe. Was sollte sie nur sagen? Er kannte sie viel zu gut ... er würde sie sofort durchschauen.
»Kailea ...« In seiner Stimme lag tiefe Qual. »Ach, Kailea, man hat Victor getötet! Jemand hat unseren wunderbaren Sohn ermordet. Kailea ... wer kann so etwas Schreckliches getan haben? Und weshalb?«
Er kämpfte darum, die Augen offen zu halten, wehrte sich gegen den Nebel der Betäubungsmittel. Kailea biss sich auf die Fingerknöchel, bis Blut floss.
Als sie es nicht mehr ertragen konnte, in seiner Nähe zu sein, verließ sie fluchtartig den Raum.
* * *
Wutentbrannt stürmte Swain Goire die lange Treppe zu den abgelegenen Turmzimmern hinauf. Zwei Atreides-Hauswachen standen vor dem Eingang zu Kaileas Privatgemächern.
»Lassen Sie mich eintreten!«, befahl Goire.
Doch die Wachmänner wollten sich nicht von der Stelle rühren. »Lady Kailea hat uns eindeutige Befehle gegeben«, sagte der Offizier im Rang eines Levenbrechs. Er wandte den Blick ab, weil es ihm nicht behagte, seinem Vorgesetzten zu widersprechen. »Sie möchte in ihrer Trauer allein sein. Sie hat nichts gegessen und verweigert jeden Besuch. Sie ...«
»Wer gibt Ihnen Befehle, Levenbrech? Eine Konkubine oder der Hauptmann der Soldaten unseres Herzogs?«
»Sie, Herr«, antwortete der andere Wachmann und warf seinem Kameraden einen Seitenblick zu. »Aber Sie bringen uns in eine schwierige Situation.«
»Ich entbinde Sie von Ihren Verpflichtungen«, blaffte Goire. »Gehen Sie jetzt! Ich übernehme die Verantwortung.« Dann sagte er mit leiser Stimme, wie im Selbstgespräch: »Ja, ich trage die Verantwortung.«
Er riss die Tür auf, stapfte hinein, und schlug sie hinter sich zu.
Kailea trug ein verblasstes altes Nachthemd. Ihr kupferfarbenes Haar war in Unordnung, und ihre Augen waren gerötet und verquollen. Sie kniete auf dem Steinfußboden, verschmähte die Stühle und ignorierte den kalten, feuchten Luftzug, der durch das offene Fenster hereindrang. Der Kamin war dunkel und unbenutzt.
Auf ihren Wangen waren parallele rote Schrammen, als hätte sie versucht, sich die Augen auszukratzen, dann aber nicht den Mut dazu aufgebracht. Als sie mit getrübtem Blick zu ihm aufsah, zeigte sich ein Hoffnungsschimmer auf ihren Zügen. Vielleicht war jemand gekommen, der ihr Trost spenden konnte.
Kailea stand auf und schien nur noch ein Geist ihrer selbst zu sein. »Mein Sohn ist tot und mein Bruder zur Unkenntlichkeit verstümmelt.« Ihr Gesicht wirkte wie ein Totenschädel. »Swain, mein Sohn ist tot .« Sie kam einen Schritt auf ihn
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