Dune - Frühe Chroniken 02 - Das Haus Harkonnen
erhalten. Sie wissen von der Bombe, Mylord?«
Leto nickte. »Thufir wird alle Fragen beantworten. Das tut er immer.« Er musste sich dazu zwingen, die Frage zu stellen, vor der er sich am meisten fürchtete. »Und Victors Leiche ...?«
Tessia wandte den Blick ab. »Man hat ihn ... gefunden. Wachhauptmann Swain Goire hat unverzüglich Konservierungsmaßnahmen eingeleitet ... auch wenn ich mir nicht vorstellen kann, welchen Sinn es haben könnte. Goire ... hat den Jungen ebenfalls sehr geliebt.«
»Ich weiß«, sagte Leto.
Er starrte auf das unförmige rötliche Gebilde in der Lebenserhaltungswanne. Es hatte nichts an sich, das ihn an seinen Freund erinnerte. Die Einheit sah bereits wie ein Sarg aus, sodass Leto sich vorstellen konnte, die Schläuche abzuziehen, den Deckel zu verschließen und ihn zu bestatten. Vielleicht wäre es wirklich das Beste.
»Können wir noch irgendetwas für ihn tun – oder verlängern wir damit sinnlos sein Leid?«
Er sah, wie sich die Muskeln in Tessias Wangen anspannten und ihre sepiafarbenen Augen hart und kalt wurden. Ihre Stimme war kaum mehr als ein atemloses Flüstern. »Ich werde die Hoffnung niemals aufgeben.«
»Mylord«, war die tadelnde Stimme des Nachtpflegers zu hören, der in diesem Moment in den Raum trat. »Sie dürfen doch nicht aufstehen, Herr! Sie müssen erst wieder zu Kräften kommen. Sie sind schwer verletzt, und ich kann Ihnen nicht erlauben ...«
Leto hob die Hand. »Erzählen Sie mir nichts von schweren Verletzungen, während ich hier neben den Resten meines Freundes stehe.«
Der Pfleger errötete und nickte. Mit dem hageren Gesicht und dem langen dünnen Hals wirkte er wie ein Vogel. Er legte eine saubere, feingliedrige Hand auf Letos Unterarm. »Bitte, Mylord. Es geht nicht darum, Wunden zu vergleichen. Meine Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass der Herzog des Hauses Atreides so schnell wie möglich wieder gesund wird. Und das sollte auch Ihre oberste Pflicht sein.«
Tessia berührte die Lebenserhaltungseinheit und blickte Leto in die Augen. »Ja, Mylord. Sie tragen immer noch Ihre Verantwortung. Rhombur würde niemals erlauben, dass Sie wegen seines Zustands alles andere vernachlässigen.«
Leto ließ zu, dass man ihn aus dem Zimmer führte. Der Pfleger stützte ihn, während er vorsichtig einen Fuß vor den anderen setzte. Sein Verstand wusste, dass er wieder gesund werden musste – allein schon aus dem Grund, weil er die Katastrophe mit klarem Kopf besser verstehen würde.
Mein Sohn, mein Sohn! Wer hat das getan?
* * *
Kailea hatte sich in ihre Gemächer eingeschlossen und heulte stundenlang. Sie wollte mit niemandem sprechen, sie wollte weder den Herzog, ihren Bruder noch irgendeinen anderen Menschen sehen. Doch in Wahrheit konnte sie sich selbst nicht ertragen – sich selbst und die ungeheuerliche Schuld, die sie auf sich geladen hatte.
Es war nur eine Frage der Zeit, bis Thufir Hawat im Verlauf seiner akribischen Untersuchungen ihrer Schuld auf die Spur kommen würde. Bislang hatte noch niemand einen entsprechenden Verdacht geäußert ... aber schon bald würden in den kühlen steinernen Gängen von Burg Caladan geflüsterte Spekulationen die Runde machen. Die Leute würden sich fragen, warum sie Herzog Leto nicht an seinem Krankenbett besuchte.
Nachdem sie sich über den Behandlungsplan erkundigt hatte – und sich für einen Zeitpunkt entschieden hatte, an dem Leto nicht sofort die Schuld in ihren Augen erkennen würde –, entriegelte Kailea die Tür ihrer Gemächer und machte sich mit unsicheren Schritten auf den Weg zur Krankenabteilung. In der Abenddämmerung hatten sich die Wolken hinter den Fenstern kupferrot verfärbt – wie ihr Haar. Doch sie sah keine Schönheit im Sonnenuntergang, nur die Schatten in der Burg.
Medizinische Assistenten und ein Arzt hielten in ihrer Arbeit inne und machten ihr Platz, damit sie mit ihrem Herzog ungestört war. Das Mitgefühl auf ihren Gesichtern zerriss Kailea das Herz.
»Er hat einen Rückfall erlitten, Lady Kailea«, sagte der Arzt. »Wir mussten ihm stärkere Schmerzmittel geben, sodass er wahrscheinlich viel zu benommen für ein Gespräch ist.«
Kailea zwang sich zu einer würdevollen Haltung. Ihre geröteten Augen trockneten bereits. »Trotzdem möchte ich ihn sehen. Ich werde an Leto Atreides' Seite stehen, solange ich dazu in der Lage bin. Er soll wissen, dass ich da bin.«
Freundlicherweise suchte sich der Arzt eine Arbeit, die er außerhalb des Zimmers erledigen
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