Dune - Frühe Chroniken 03 - Das Haus Corrino
kleinen Sekretär. Es ist ein altes leeres Buch, das meiner lieben Freundin Lobia gehörte. Mach es zu deinem Tagebuch. Es könnte in diesem übervölkerten und einsamen Palast zu einem guten Freund werden.«
Jessica zögerte, da sie nicht wusste, was sie erwidern sollte. »Vielen Dank, Mylady. Ich werde heute Abend den ersten Eintrag schreiben.«
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Es gibt Menschen, die unter gar keinen Umständen bereit sind, eine Niederlage einzugestehen. Wird die Geschichte sie als Helden oder als Narren beurteilen?
Imperator Shaddam IV.,
Revidierte offizielle Geschichte des Imperiums (Entwurf)
In vergangenen Tagen des Ruhms war Cammar Pilru der ixianische Botschafter auf Kaitain gewesen, ein geachteter Mann, den die Pflicht aus den glitzernden Höhlenstädten in den Landsraad und an den Hof des Imperators gerufen hatte. Pilru war kultiviert und manchmal sogar betörend gewesen und hatte unermüdlich versucht, Vergünstigungen für ixianische Industrieprodukte zu erzielen, indem er hier und dort einem Beamten Gelder zufließen ließ, kostbare Luxusgüter verschenkte und mit Gefälligkeiten handelte.
Dann hatten die Tleilaxu seine Heimatwelt besetzt. Das Haus Corrino hatte seine Anträge auf Hilfestellung ignoriert, und der Landsraad hatte sich gegenüber seinen Beschwerden taub gestellt. Seine Frau war bei der Invasion ums Leben gekommen. Seine Welt und sein Leben waren zerstört.
In einer Zeit, die ihm bereits wie ein anderes Leben vorkam, hatte der Botschafter beträchtlichen Einfluss auf finanzielle, wirtschaftliche und politische Kreise gehabt. Cammar Pilru hatte Freunde in hohen Positionen gehabt und von vielen Geheimnissen gewusst. Obwohl er nicht zur Erpressung neigte, hatte ihm die bloße Möglichkeit, eine Information gegen eine andere Person verwenden zu können, erhebliche Macht verschafft. Selbst nachdem so viele Jahre vergangen waren, erinnerte er sich an jedes Detail. Auch andere wussten noch einiges von diesen Dingen. Jetzt war es an der Zeit, diese Informationen zu benutzen.
Die Aufseherin des imperialen Gefängnisses auf Kaitain, Nanee McGarr, war eine ehemalige Schmugglerin und Gaunerin. Aufgrund ihrer kräftigen und groben Figur gingen manche davon aus, dass sie ein Mann sein musste, und ein ziemlich hässlicher obendrein. Ursprünglich stammte sie von einem Planeten mit hoher Schwerkraft im Unsidor-System, weshalb sie gedrungen und muskulös wie ein Ringkämpfer von Anbus gebaut war. McGarr hatte fast ein Jahr lang in einem ixianischen Gefängnistunnel verbracht, bevor sie einen Wachmann bestochen hatte, der ihr die Flucht ermöglichte. Offiziell wurde sie immer noch gesucht.
Als Botschafter Pilru die Frau Jahre später in der imperialen Hauptstadt sah, erkannte er sie sofort von vertraulichen ixianischen Haftberichten wieder. Er hatte ihr unter vier Augen offenbart, dass er um ihre Identität wusste und gewillt war, ihr Geheimnis zu wahren, worauf er die Aufseherin in der Hand hatte. In den zwanzig langen Jahren, die er als Exil-Botschafter eines abtrünnigen Hauses auf Kaitain verbracht hatte, war es bislang nie nötig gewesen, sie daran zu erinnern, dass sie ihm noch einen Gefallen schuldig war.
Dann hatte ein Schauspieler einen kühnen Attentatsversuch auf den Imperator verübt und schockierende Behauptungen über seine Herkunft aufgestellt. Was er gesagt hatte, war so unglaublich, dass ein Gedanke im Kopf des Botschafters keimte. Er musste unbedingt mit diesem Gefangenen sprechen, der vielleicht der Sohn von Elrood IX. und seiner Konkubine Shando Balut war, die später die Frau von Graf Dominic Vernius geworden war.
Wenn die Behauptungen stimmten, war Tyros Reffa nicht nur der Halbbruder von Shaddam IV., sondern auch von Prinz Rhombur Vernius. Es war ein atemberaubender Gedanke, eine doppelte Offenbarung. Ein Prinz der Häuser Corrino und Vernius saß hier auf Kaitain im Gefängnis! Rhombur hielt sich für den letzten Überlebenden seines Großen Hauses und glaubte, dass seine Familie mit ihm aussterben würde.
Jetzt gab es wieder eine winzige Chance, wenigstens über die mütterliche Blutlinie ...
Shaddam würde ihm niemals gestatten, mit Reffa zu reden, also schlug der Botschafter von vornherein einen anderen Weg ein. Obwohl das Haus Vernius jede Macht verloren hatte, wäre die Aufseherin McGarr nicht daran interessiert, dass ihre früheren Verbrechen bekannt wurden. Auch wenn zunächst niemand dem Botschafter glaubte, würde man vielleicht doch weitere Nachforschungen
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