Dune - Frühe Chroniken 03 - Das Haus Corrino
ohne dass Shaddam davon wusste, hatte Anirul ihrem Mann bereits ein nicht nachweisbares Enzym verabreicht – während einer ihrer seltenen sexuellen Begegnungen. Nach fünf Töchtern würde er nun kein weiteres Kind mehr zeugen können. Der Imperator war unfruchtbar geworden, nachdem er und Anirul die Aufgabe erfüllt hatten, die die Schwesternschaft mit ihnen verfolgte. Shaddam hatte mit genügend anderen Frauen verkehrt, um wissen zu müssen, was mit ihm los war, aber der Mann würde niemals auf den Gedanken kommen, dass es seine eigene Schuld war, solange er sie auf andere schieben konnte ...
Während ihr all diese Dinge durch den Geist gingen, öffnete Anirul die Augen und notierte sie hastig mit dem virtuellen Stift. Doch dann hielt sie erneut inne, als sie etwas zu hören glaubte. Jemand, der sich draußen im Korridor unterhielt? Verstohlene Schritte? Sie horchte angestrengt, konnte aber nichts mehr wahrnehmen.
Sie drehte den Sensorschreiber zwischen den Fingern ... und hörte wieder Geräusche. Diesmal waren sie lauter, als würden sich weitere Personen im Zimmer befinden. Das Geflüster steigerte sich zu unverständlichen Satzfragmenten und verhallte wieder. Nervös verließ Anirul den Schreibtisch und durchsuchte die leeren Schränke, die Truhen, jede Stelle, wo sich jemand verbergen konnte.
Wieder nichts.
Die Stimmen wurden lauter, und erschrocken bemerkte sie nun, dass gleichzeitig die Unruhe der Weitergehenden Erinnerungen zunahm. Sie hatte noch nie zuvor einen solchen Tumult erlebt und fragte sich, was ihn ausgelöst haben mochte. Ihre Suche? Die Unruhe ihrer besorgten Gedanken? Diesmal schienen die Stimmen gleichzeitig in ihr zu sein und sie von allen Seiten zu umgeben.
Der hallende Lärm verstärkte sich, als würde sie sich in einem Raum voller heftig diskutierender Schwestern befinden. Aber sie konnte niemanden sehen und nichts vom Gewirr der Gesprächsfetzen verstehen. Jede Stimme hatte etwas zu sagen, aber die Worte waren verwirrend und widersprüchlich.
Anirul überlegte, ob sie Lobias leere Wohnung verlassen sollte, entschied sich aber dagegen. Falls die Stimmen versuchten, Kontakt mit ihr aufzunehmen, ihr etwas Wichtiges mitzuteilen, musste sie erfahren, was es war. »Lobia? Bist du hier?«
Der Sturm aus Worten schien darauf zu reagieren und verschob sich wie eine geisterhafte Wolke. Die Stimmen veränderten ständig ihre Lautstärke, wie ein schlechter Komempfang, der durch statische Entladungen gestört wurde. Eine der vor langer Zeit gestorbenen Frauen schrie, um die anderen zu übertönen, aber Anirul verstand immer noch nichts. Sie schienen in unterschiedlichsten Sprachen den Namen des Kwisatz Haderach zu rufen.
Plötzlich verstummte der Lärm in ihrem Geist. In der unbehaglichen Stille schmerzte ihr der Kopf, und ihr Magen verkrampfte sich.
Sie starrte auf das sensorisch-holographische Tagebuch, das immer noch über dem Schreibtisch schwebte. Auch als sie das letzte Mal darin geschrieben hatte, war es zum Aufruhr in ihren Weitergehenden Erinnerungen gekommen. Damals war sie tief in das mentale Reich vorgedrungen, bis ein wirbelnder Nebel sie aufgehalten hatte.
Die zwei Erfahrungen waren sehr unterschiedlich gewesen, aber sie hatte aus jeder die gleiche Botschaft gewonnen. Mit dem chaotischen Chor ihrer weiblichen Vorfahren stimmte etwas nicht. Diesmal waren die unverständlichen Stimmen noch verwirrender gewesen.
Falls es ihr nicht gelang, den Grund für diese Unruhe herauszufinden, war ihr Leben – oder sogar das Kwisatz-Haderach-Programm, das der Sinn ihrer Existenz war – möglicherweise in großer Gefahr.
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Wenn wir eine Angst erkundet haben, ist sie plötzlich gar nicht mehr so erschreckend. Mut gründet sich auf die Erweiterung unseres Wissens.
Herzog Leto Atreides
Ein nachmittäglicher Wind lebte über dem Meer auf, als Leto sich mit den Ellbogen auf den Balkontisch stützte. Er saß gerne in der salzigen Luft und beobachtete, wie die Gewitterwolken über das aufgewühlte Wasser zogen. Die großen Stürme waren gleichzeitig furchteinflößend und atemberaubend und erinnerten ihn an den Tumult im Imperium und in seinem Herzen. Sie riefen ihm ins Gedächtnis, wie unbedeutend ein Herzog angesichts mächtiger Naturgewalten war.
Auf der anderen Seite des Tisches saß Prinz Rhombur und blickte nicht aufs Meer, sondern auf die Steinwand. Sein Cyborg-Körper spürte nichts von der Kälte. Er beschäftigte sich mit einem kunstvollen Cheops-Spielbrett. Mit
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