Dune Legenden 02 - Der Kreuzzug
ausgesehen als eine Frau von einundachtzig Jahren, aber seit dem Tod ihres Mannes schien sie plötzlich sehr gealtert zu sein. Sie saß gebeugt in ihrem eleganten Kontemplationsgewand. Trotz ihrer stoischen Haltung wirkte Livia gebrochen, wie ein Baum, der die Verbindung zu seinen Wurzeln verloren hatte.
Serena saß mit ihrer Mutter auf einer Bank neben dem Teich. Zum Glück war Manion nach einem erfüllten Leben friedlich entschlafen. Wenn er doch nur lange genug bei uns geblieben wäre, um das Ende dieses unglückseligen Krieges mitzuerleben!
In den dreieinhalb Jahrzehnten des Djihad hatte niemals der Schmerz nachgelassen, den Serena angesichts der großen Tragödie empfand. Manchmal war es das Wissen, dass auf Chusuk oder beim Honru-Massaker ganze Bevölkerungen ausgelöscht worden waren, zu anderen Zeiten war die Trauer viel persönlicher. Sie würde niemals von ihrem Schwur abrücken, den Kampf gegen die Denkmaschinen anzuführen, aber Serena wünschte sich, sie hätte endlich Zeit, über alles nachzudenken und zu trauern. Sie hatte daran gedacht, nach Zimia zu gehen, um neben einem der zahlreichen öffentlichen, mit Blumen geschmückten Reliquienschreine zu meditieren. Aber im Augenblick mochte sie keine Menschenmassen sehen.
Sie blickte einen grasbewachsenen Hügel hinauf zum Schrein, der den konservierten Körper ihres Kindes enthielt. Ihr Junge war das unschuldige Symbol für den menschlichen Geist, die absolute Antithese zur Grausamkeit und Unmenschlichkeit der Maschinen. »Ja«, sagte sie, »wir haben zwei Manions verloren. Aber die Liga und der Djihad werden ohne sie weiterexistieren.« Trotzdem hatte sie das Gefühl, als wäre eine der stützenden Säulen der Liga der Edlen weggebrochen.
Sie griff nach Livias Hand. Die Äbtissin erwiderte die Geste, zunächst nur schwach, doch dann drückte sie fester zu. Livias Augen weiteten sich, und sie keuchte unter einem Schmerz auf, der weit über ihre private Trauer hinausging. Serena wollte ihr einen Arm um die Schulter legen, aber die alte Frau rutschte haltlos von der Bank und sank neben dem Teich zu Boden. Serena ging neben ihr in die Knie und hob ihren Kopf an, während sie laut um Hilfe rief.
Für einen langen, quälenden Moment starrte Serena in die offenen, leblosen Augen ihrer Mutter. Obwohl Livia und Manion Butler seit vielen Jahren getrennt gelebt hatten und ihren eigenen Interessen nachgegangen waren, hatte es weiter ein starkes, unsichtbares Band zwischen ihnen gegeben. Sie waren länger als ein halbes Jahrhundert miteinander verheiratet gewesen.
Und nun war Livia ihrem geliebten Mann gefolgt ...
* * *
Obwohl Serena nur sehr wenig Schlaf fand, erfüllte sie am nächsten Tag ihre Pflichten. Der Große Patriarch sagte anschließend zu ihr, dass sie energiegeladener und inspirierter als je zuvor wirkte, als hätte sie eine völlig neue Kraftquelle angezapft.
Ihre Leere hatte sich in Zorn verwandelt, als wäre in ihrem Geist ein Schalter umgelegt worden. Die Denkmaschinen – die gedankenlosen, hassenswerten Maschinen – hatten ihr so viel geraubt. Der Verlust traf sie tiefer, als sie mit Worten hätte beschreiben können.
Nach all diesen Jahren war sie verbittert, dass der Kampf immer noch nicht gewonnen war. Zweifellos hatte es etwas mit einer Schwäche des menschlichen Geistes zu tun, mit einer unzureichenden Entschlusskraft. Das musste sie irgendwie ändern.
Verzweifelt wünschte sich die Priesterin des Djihad, sie hätte den bedachten Rat ihrer Mutter einholen können, nur noch ein einziges Mal. Oder den der Kogitorin Kwyna. Sie brauchte dringender als je zuvor eine Quelle der Weisheit. Aber wohin konnte sie sich wenden?
Nach reiflicher Überlegung entschied sie, dass es an der Zeit war, etwas Neues zu versuchen, um die Parameter zu ändern. Vor acht Jahren hatten Iblis Ginjo und sie den Elfenbeinturm-Kogitoren großzügig neue Sekundanten zur Verfügung gestellt. Die sorgsam ausgewählten Freiwilligen hatten genügend Zeit gehabt, Vidad und seine fünf philosophischen Kollegen zu überzeugen, ihr Wissen weiterzugeben, und nun fand Serena, dass sie lange genug gewartet hatte.
Ein Schauder lief ihr über den Rücken. Wenn die Kogitoren sich weigerten, zu ihr zu kommen, dann würde sie eben zu ihnen gehen müssen.
Während der Vorbereitungen für das traurige, aber prächtige doppelte Staatsbegräbnis für den früheren Viceroy und die Äbtissin waren die Straßen voller gelber Ringelblumen, die die Trauer des Volkes
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