Dune Legenden 03 - Die Schlacht von Corrin
über Gesicht und Hals. Im Delirium hatte sie sich neben das Bett übergeben, das Erbrochene verpestete das Zimmer mit scheußlichem, saurem Geruch.
Das Mädchen stand daneben und brannte vergeblich darauf, irgendetwas Hilfreiches zu unternehmen. Sie sah die Eltern an und erkannte, dass sie so rat- und schutzlos waren wie alle anderen Menschen. Der Gouverneur hatte sich den Realitäten der Epidemie gestellt und wusste daher genau, dass Kohe bei so heftigen Symptomen kaum eine Überlebensaussicht hatte. Es gab keinen medizinischen Beistand, keine Heilung. Diese schreckliche Erkenntnis sah Rayna seinem Mienenspiel an. Schlimmer noch: Er befasste sich so intensiv mit der furchtbaren Prognose, die man seiner Frau stellen musste, und dem Los ganz Parmentiers, dass er die ersten Anzeichen der Erkrankung bei sich selbst nicht bemerkte ...
Als sie Hunger verspürte und kein Mitglied des Personals mehr vorfand, holte sich Rayna selbst etwas Essbares aus einem Küchenschrank. Stunden später fühlte sie sich schwindlig und unsicher auf den Beinen und kehrte in die Familienwohnräume zurück, um ihren Vater zu fragen, was sie tun sollte.
Dem Mädchen, auf dessen Stirn sich Schweißperlen bildeten, gelang es kaum noch, das Gleichgewicht zu halten. Rayna wankte, während sie den Korridor durchquerte, und als sie Stirn und Wangen berührte, merkte sie, dass ihre Haut sich nie zuvor so heiß angefühlt hatte. In ihrem Kopf pochte es, ihre Sicht trübte sich und verschwamm, als hätte jemand ihr schmutziges Wasser in die Augen gespritzt. Es dauerte lange, bis sie sich daran erinnerte, was sie sich zuletzt vorgenommen hatte ...
Als sie sich schließlich, um auf den Beinen zu bleiben, an den Rahmen der Schlafzimmertür klammerte, sah sie ihre Mutter bewegungslos, in schweißgetränkte Decken gehüllt, auf dem Bett liegen. Daneben war Raynas Vater in einer zum Schlafen unbequemen Stellung zusammengesunken. Rikov rührte sich und stöhnte, antwortete aber nicht auf die Rufe seiner Tochter.
Dann krümmte sich Rayna und musste sich übergeben. Als sie sich erbrochen hatte, sackte sie auf die Knie, da sie sich nicht mehr aufrecht halten konnte. Sie musste sich ausruhen, neue Kraft sammeln. Von früheren Krankheiten wusste Rayna, dass ihre Mutter sie in solchen Fällen ins Bett schickte, um sich im Liegen zu erholen und zu beten. Gerne hätte Rayna nun ihr Buch der Schriften zur Hand genommen und ihre Lieblingsabschnitte gelesen, doch ihre Sicht blieb verschwommen. Ringsum schien nichts mehr Sinn zu ergeben.
Nachdem sie endlich ihr Zimmer erreicht hatte, entdeckte sie neben dem Bett einen Becher mit etwas abgestandenem Wasser und trank es. Dann kroch Rayna, ohne zu wissen, was sie tat – oder warum sie sich so verhielt –, in den Schutz eines engen Schranks, wo es wie in einer Gebärmutter war, wo sie Stille, Dunkelheit und Trost fand.
Mit schwacher Stimme und ausgedörrter Kehle rief das Mädchen nach ihren Eltern, dann nach dem Personal, aber niemand kam. Lange Zeit hindurch trieb ihr Geist auf einem Fluss des Deliriums dahin, war ganz den Strömungen ausgeliefert, suchte nach irgendetwas, das verhindern würde, dass sie über den gewaltigen Wasserfall, dem sie sich näherte, in die Tiefe stürzte.
Sie kauerte da und döste mit geschlossenen Lidern im Dunkeln vor sich hin. Ihre meisten Lieblingsverse kannte sie in- und auswendig. Oft hatten sie und ihre Mutter sie gemeinsam gesprochen. Während Gedanken und Bilder in ihrem Kopf durcheinander spukten, murmelte sie aus innigstem Herzen Gebete. Die heiligen Schriften spendeten ihr Trost. Das rasende Fieber durchglühte ihren Körper immer heißer, gloste hinter ihren Augen.
Zuletzt träumte sie, als sie weitab der Welt, fernab ihres Zimmer, des dunklen Schranks, der Wirklichkeit selbst zu weilen schien, von einer schönen, hell strahlenden Frau, der heiligen Serena. Die Leuchtende lächelte und bewegte die Lippen, sagte etwas Wichtiges zu Rayna, aber sie konnte die Worte nicht verstehen. Sie bat die Frau, sich deutlicher auszudrücken, doch kaum glaubte Rayna sie richtig zu vernehmen, da geriet die Erscheinung ins Wallen und verschwand.
Rayna sank in sehr tiefen Schlaf ...
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Der Wissenschaft ist eine gewisse Überheblichkeit eigen, der Glaube, dass die Technik, je mehr wir sie durchschauen und zur Reife entwickeln, umso nachhaltiger unser Leben verbessert.
Tio Holtzman,
aus der Dankesrede anlässlich der Verleihung des Tapferkeitsordens von Poritrin
Jedes
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