Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel
er sagt, er kommt, dann kommt er auch.«
»Manchmal kommt er sogar, wenn er vorher sagt, daß er noch nicht kommt«, fügte Katrin kichernd hinzu.
Jan starrte sie an. »Findest du das komisch?« fragte er. Er war nicht einmal wirklich wütend, sondern nur verwirrt. Anzügliche Bemerkungen wie diese paßten einfach nicht zu Katrin. Noch vor ein paar Tagen hätte sie ihm eine Riesenszene gemacht, hätte er sich umgekehrt zu einer solchen Bemerkung hinreißen lassen.
»Und wie«, bestätigte Katrin. Sie lachte, ließ sich – für Jans Geschmack entschieden zu nahe – neben Vera auf die Bank sinken und hob zwei Finger in Richtung der Theke. Noch immer lachend und an Jan gewandt fuhr sie fort: »Nun reg dich nicht auf. Du wirst doch noch einen kleinen Spaß verstehen.«
»Im Ernst«, mischte sich Vera ein. »Katrin und ich haben gewettet, ob du kommst oder nicht. Sie hat geschworen, daß dich keine zehn Pferde um die Uhrzeit aus dem Bett kriegen, geschweige denn aus der Wohnung.«
»Es waren auch keine Pferde«, antwortete Jan bestimmt.
»Was immer es war, erzähl es mir später.« Katrin stand auf und drehte sich mit fragendem Gesichtsausdruck zur Theke um. »Wo ist denn hier …?«
»Die Treppe rauf. Die Tür links neben dem Eingang.«
Katrin ging, und kaum war sie aus dem Raum, da erlosch Veras aufgekratzter Gesichtsausdruck. »Ich bin froh, daß du gekommen bist«, sagte sie. »Ich war nicht ganz sicher.«
»Daß ich das hier finde oder daß ich lebend aus der Wohnung herauskomme?«
»Daß du mir glaubst«, antwortete Vera.
»Sollte ich das denn nicht?«
»Ich an deiner Stelle würde kein Wort mehr glauben«, sagte Vera ernst. Sie hob die Schultern. »Ich habe … mich nicht besonders geschickt angestellt, fürchte ich. Aber ich habe nicht besonders viel Erfahrung in solchen Dingen.«
»In was für Dingen?« fragte Jan. Vera schwieg, und Jan fuhr nach ein paar Sekunden und jetzt nur noch mühsam beherrscht fort: »Verdammt, Vera, es reicht. Ich will jetzt endlich ein paar Antworten.«
»Nein, Jan«, sagte Vera ernst. »Das willst du nicht. Ich bin ganz sicher, daß du das nicht willst.« Sie unterbrach sich für einen Moment, als der Wirt kam und zwei frisch gezapfte GläserBier vor ihr auf dem Tisch absetzte – als ob das einen Unterschied machte. Der Raum war so klein, daß er selbst dann jedes Wort verstanden hätte, wenn sie geflüstert hätten.
»Es ist besser, wenn du nicht weißt, was wirklich vorgeht«, fuhr sie fort. »Es tut mir wirklich leid, Jan. Glaub mir, niemand hat gewollt, daß das passiert. Ich am allerwenigsten. Und es wird sich nicht wiederholen.«
»Wie beruhigend«, sagte Jan spöttisch. »Vor allem, wo ich nicht einmal weiß, was sich wiederholen sollte.«
»Du wirst ab sofort besser beschützt«, antwortete Vera. »Wir haben ihn unterschätzt, aber das wird nicht noch einmal vorkommen.«
»Ihn?«
»Nosferatu«, sagte Vera.
»Wen?!« Jan riß die Augen auf. Er hatte spöttisch klingen wollen, aber seine Stimme geriet zu einem hysterischen Quietschen.
»Du hast ihn kennengelernt«, sagte Vera. »Der Mann, der dich verletzt hat. Am Auge.«
»Wie hast du ihn genannt?« fragte Jan.
»Nosferatu.« Vera lächelte, aber nicht besonders lange und noch weniger überzeugend. »Ich weiß, was du sagen willst. Natürlich ist das nicht sein wirklicher Name. Er nennt sich selbst so.«
»Aber das ist verrückt.«
»Stimmt.« Vera nippte an ihrem Bier und verzog fast angeekelt das Gesicht. »Er ist verrückt, das ist das Schlimme. Der Kerl hat schon ein gutes halbes Dutzend Menschen umgebracht. Vielleicht hält er sich tatsächlich für einen Vampir, vielleicht ist das auch nur seine eigene Art von verschrobenem Humor.«
»Und jetzt hat er es auf mich abgesehen? Warum?«
»Seit wann brauchen Verrückte einen Grund?« gab Verazurück. »Es gibt keinen. Du warst einfach nur im falschen Moment am falschen Ort, das ist alles.«
»Wie tröstlich«, sagte Jan spöttisch. »Dann kann ich ja nur hoffen, daß ich jetzt am richtigen Ort bin.«
Für einen Moment sah Vera ein wenig gekränkt aus. »Ich sagte bereits: Es tut mir leid. Niemand hat gewollt, daß du oder Katrin in diese gefährliche Geschichte hineingezogen werdet. Aber es ist nun mal passiert. Dieser Mistkerl ist vielleicht verrückt, aber er ist sicherlich nicht dumm. Wir sind schon seit einer geraumen Weile hinter ihm her, aber bisher ist er uns immer wieder entwischt.«
»Wer, zum Teufel, ist ›wir‹?« fragte Jan. Er
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