Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel
sie. »Es tut mir leid.«
»Was?« fragte Jan, in wesentlich unfreundlicherem Ton, als er eigentlich beabsichtigt hatte. »Daß ich mich wie ein Idiot benommen habe?«
»Daß ich dir nicht geglaubt habe«, antwortete Katrin leise. »Bitte entschuldige.«
»Sie war ziemlich überzeugend«, sagte Jan. »Eine Zeitlang bin sogar ich auf sie hereingefallen.«
»Das spielt keine Rolle«, beharrte Katrin. Sie nahm die Hand vom Zündschlüssel und steckte sich mit zitternden Fingern eine Zigarette an. »Ich hätte dir glauben sollen. Statt dessen habe ich ihre Partei ergriffen.« Sie nahm einen tiefen Zug, blies den Rauch gegen die Windschutzscheibe und fügte in ganz leicht vorwurfsvollem Ton hinzu: »Warum hast du mir nichts von dem anderen Mann erzählt?«
Im ersten Moment verstand Jan nicht einmal, wovon sie sprach. Dann fiel ihm ein, daß Katrin schließlich nicht nur Veras Worte gehört hatte, sondern auch alles, was er gesagt hatte. »Mein Auge.«
»Du hast dich nicht an einem Draht verletzt.«
»Nein«, gestand Jan. Er hob die Schultern und verzog dasGesicht zu einem schiefen Grinsen. »Welcher Mann gibt schon gerne zu, daß er verprügelt worden ist?«
»Was war das für ein Kerl?«
»Keine Ahnung«, behauptete Jan. »Es ging ziemlich schnell. Ich habe ihn kaum richtig gesehen, da lag ich auch schon am Boden.« Er zuckte erneut die Achseln. »Ich nehme an, Veras großer Bruder.« Das entsprach nicht der Wahrheit. Es war ganz und gar nicht das, was er annahm. Die Wahrheit war nicht so einfach.
»Vielleicht sollten wir wirklich zur Polizei gehen.« Katrin nahm einen letzten Zug aus ihrer Zigarette, kurbelte das Fenster herunter und warf sie hinaus. »Was ist, wenn dieser Kerl gefährlich ist?«
Gefährlich war vielleicht nicht das richtige Wort, dachte Jan. Der Kerl war gefährlich, aber auf eine Art, die nichts mit dem zu tun hatte, wovon Katrin sprach. Trotzdem schüttelte er den Kopf. Es hatte keinen Sinn, sie deswegen noch weiter zu beunruhigen.
»Nein«, sagte er. »Ich will nichts mit der Polizei zu tun haben. Dieser Krieger geht mir sowieso schon auf die Nerven. Außerdem glaube ich nicht, daß wir Vera und ihre sauberen Freunde noch einmal wiedersehen.«
»Bisher waren sie ziemlich hartnäckig.«
»Aber sie weiß jetzt, daß wir sie durchschaut haben«, beharrte Jan. »Solche Leute geben ganz schnell auf, wenn sie begreifen, daß man ihr Spielchen aufgedeckt hat. Außerdem sollte selbst Vera mittlerweile begriffen haben, daß bei uns nichts zu holen ist.«
Katrin sah ihn zweifelnd an, sagte aber nichts mehr, sondern startete den Motor und fuhr los. Sie war nicht überzeugt, und sie war schon gar nicht beruhigt. Und Jan erging es nicht anders. Er fragte sich nur, wen er mit diesen wenig glaubhaften Beteuerungen eigentlich überzeugen wollte: Katrin – oder sich selbst?
Die Entscheidung, die Polizei zu rufen oder nicht, wurde Jan letztendlich abgenommen. Die Polizei war bereits da, als sie nach Hause kamen. Kommissar Krieger wartete im Treppenhaus, als sie nebeneinander aus dem Aufzug traten.
Krieger vertrieb sich die Zeit nicht damit, in der Nase zu bohren oder Däumchen zu drehen, sondern unterhielt sich mit ihrer Nachbarin zur Linken, wobei er sich eifrig Notizen in etwas machte, was wie ein zu groß geratenes, dickes Notizbuch aussah; vermutlich irgendein neumodisches elektronisches Spielzeug. Als sie das Geräusch der Lifttüren hörten, unterbrachen sie hastig ihr Gespräch, aber es hätte des sonderbaren Blickes eigentlich nicht mehr bedurft, den ihre Nachbarin Jan zuwarf, um ihm klarzumachen, worüber sie gesprochen hatten.
Krieger schaltete sein Gerät aus, verabschiedete sich mit einem angedeuteten Kopfnicken und wandte sich mit einem Ruck direkt zu Jan und Katrin herum. »Herr Feller«, begann er kühl. »Wie schön, daß ich Sie selbst antreffe.«
»Sie hatten angerufen«, sagte Jan.
»Mehrmals«, bestätigte Krieger. Sein Gesicht blieb unbewegt, aber Jan hatte das ziemlich sichere Gefühl, daß er sich nur noch mit letzter Kraft beherrschte. Er rief sich in Gedanken zur Ordnung. Er konnte Krieger nicht leiden, aber es war im Moment vermutlich nicht besonders klug, den Polizeibeamten zu provozieren. Wenigstens nicht, bevor er wußte, was der eigentlich von ihm wollte.
Katrin schloß die Tür auf, trat hindurch und blieb wie vom Donner gerührt wieder stehen, und Jan fiel schlagartig der zerbrochene Garderobenspiegel wieder ein. Er war noch gar nicht dazu gekommen, ihr davon zu
Weitere Kostenlose Bücher