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Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel

Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel

Titel: Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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unsere Freunde da sind?« fragte Vera. Es war keine Bitte. Etwas in dem Blick, der diese Worte begleitete, machte sie zu einem Befehl. Er wußte nicht einmal, ob er sich ihm hätte widersetzen können, aber er versuchte es erst gar nicht. In ihm, irgendwo sehr, sehr tief in ihm, war eine neue Stärke, deren ganzes Ausmaß er noch nicht einmal ahnte, aber dies war nicht der Moment, sie zu erproben. Vielleicht hatte er nur diese eine Chance. Er mußte sie klug nutzen. Ohne ein weiteres Wort stieg er aus, entfernte sich ein paar Schritte vom Wagen und drehte sich fröstelnd wieder herum. Er konnte die Insassen des Taxis nur noch als Schattenumrisse hinter den Scheiben erkennen. Vera hatte sich nach vorne gebeugt, vermutlich, um den Fahrer zu bezahlen, aber er fand, daß sie viel zu lange dafür brauchte. Etwas geschah im Inneren des Wagens. Er wollte in diesem Moment nicht einmal wissen, was, aber er konnte es spüren.
    Schaudernd drehte er sich einmal im Kreis. Es war sehr kalt, eigentlich viel zu kalt für diese Jahres- und Tageszeit. Rings um ihn herum war nichts als Dunkelheit und Wildnis, der die Nacht die Farben gestohlen hatte. In einiger Entfernung erhobsich ein Umriß, der zu symmetrisch und zu eckig war, um von der Hand der Natur erschaffen zu sein. Was, um alles in der Welt, taten sie hier? Er lebte seit fünfzehn Jahren in dieser Stadt, aber er wußte nicht einmal, wo sie genau waren. Geschweige denn, was sie hier suchten.
    Er drehte sich wieder zum Taxi um. Der Wagen stand noch immer mit laufendem Motor da, und Vera schien noch immer mit dem Fahrer zu reden. Falls sie nicht um den Preis feilschten, gab es keinen Grund dafür. Keinen, den er wissen wollte.
    Gerade, als er dazu ansetzte, wieder zum Wagen zurückzugehen, ging die Tür auf, und Vera stieg aus. Der Wagen blieb mit laufendem Motor stehen. Der Schatten hinter dem Steuer bewegte sich nicht.
    »Was hast du mit ihm gemacht?« fragte er mit belegter Stimme.
    »Er hat dich erkannt«, antwortete Vera ernst. »Wahrscheinlich haben Sie Fotos von dir verteilt – und jetzt erzähl mir nicht, daß du es nicht gemerkt hättest!«
    »Das ist keine Antwort auf meine Frage«, sagte Jan. »Was hast du mit ihm gemacht?«
    »Gemacht? Nichts!« Vera wirkte irritiert. Dann nickte sie. »Oh, ich verstehe – keine Angst, ich habe ihm kein Haar gekrümmt. Er wird eine halbe Stunde schlafen und dann ziemlich verwirrt aufwachen.«
    Ihre Erklärung überzeugte ihn nicht im geringsten, und anscheinend sah sie ihm das sehr deutlich an, denn sie runzelte tief die Stirn und fragte: »Was, zum Teufel, soll das?«
    »Drei«, sagte er. »Der Mann hat von drei toten Polizisten gesprochen. Vlad hat nur Krieger umgebracht.«
    Wenn Veras Fassungslosigkeit nur geschauspielert war, dann hatte sie vermutlich gute Chancen, für den nächsten Oscar nominiert zu werden.
    »Und jetzt denkst du, daß ich …?«
    Immerhin war sie auf dem Foto gewesen, nicht Nosferatu. Er sprach auch das nicht aus, aber Vera las offenbar in seinem Gesicht wie in einem offenen Buch.
    »Du hast es immer noch nicht begriffen, wie?« fragte sie zornig. »Ich habe sie nicht angerührt!«
    »Jemand hat sie getötet!« beharrte Jan.
    »Aber ich war es nicht!« schnappte Vera.
    »Wer dann?«
    »Woher soll ich das wissen, verdammt?« Vera schrie fast.
    »Vielleicht ist er zurückgekommen und hat die beiden Männer getötet, während du im Badezimmer über mich hergefallen bist!«
    Zumindest die letzte Bemerkung hatte keinen anderen Sinn als den, ihm weh zu tun, aber er ignorierte sie. »Warum sollte er das tun?«
    »Woher soll ich das wissen?« fragte Vera herausfordernd. »Vielleicht, damit genau das passiert, was jetzt passiert ist. Vielleicht wollte er dir noch mehr Schwierigkeiten bereiten. Vielleicht wollte er auch nur, daß du anfängst, mir zu mißtrauen!« Ihre Augen blitzten. »Was schlägst du jetzt vor? Sollen wir weiter hier herumstehen und uns gegenseitig Vorwürfe machen, oder versuchen wir, diesen Mistkerl zu kriegen und das Leben deiner Freundin zu retten?«
    Jan antwortete nicht gleich. Er sah an Vera vorbei zum Taxi hin. Der Fahrer war über dem Lenkrad zusammengesunken. Was hinderte ihn eigentlich daran, hinzugehen und sich davon zu überzeugen, daß der Mann wirklich nur schlief?
    Er las die Antwort in Veras Augen, und er fand eine zweite, vollkommen andere in sich selbst, kaum daß er diese Frage gestellt hatte. Die erste Antwort war, daß er das ohnehin brüchig gewordene Vertrauen zwischen

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