Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel
gehst«, antwortete Vera, während sie ihm seine Sachen zuwarf. »Und dich auch.«
»Und was soll ich deiner Meinung nach tun?« fragte er. »Sie einfach im Stich lassen?«
Vera seufzte.
»Ist das jetzt typisch für euch Menschen? Treu bis in den Tod und all der Unsinn?« Sie setzte sich neben ihn, stand sofortwieder auf und nahm auf der am weitesten entfernten Kante des Bettes wieder Platz.
Offensichtlich war sie nicht sicher, ob sie der Geister, die sie gerufen hatte, auch wirklich wieder Herrin werden würde. »Ich meine: Das klingt ja ganz romantisch, aber nicht besonders klug. Du glaubst doch nicht wirklich, daß du auch nur den Hauch einer Chance hast?«
»Nein«, sagte er offen. Er glaubte es nicht, er wußte es. »Aber wenn du das weißt, warum, zum Teufel, hast du mich dann überhaupt in diese Geschichte hineingezogen?«
»Vielleicht, weil du mir damals noch nichts bedeutest hast.«
»Noch?«
Vera lächelte flüchtig. »Wie willst du vorgehen?« fragte sie.
Jan schlüpfte umständlich in seine Kleider. Seine Gedanken bewegten sich so träge, als wäre sein Kopf halb mit Pech gefüllt. Alles lief aus dem Ruder. Er fragte sich, was er hier tat – und ob Vera möglicherweise recht hatte. Er konnte Katrin nicht retten. Und selbst wenn: Wie sollte er ihr jemals wieder in die Augen sehen, nach dem, was zwischen Vera und ihm gewesen war?«
»Wie kann ich ihn töten?« fragte er.
»Du erwartest wirklich, daß ich dir das sage?« Veras Stimme klang ehrlich überrascht. »Ich meine, du weißt, was du da verlangst? Du willst nicht nur wissen, wie du ihn töten kannst. Du erwartest, daß ich dir verrate, wie du uns alle auslöschen kannst. Ich glaube nicht, daß ich das tun werde.«
»Du vertraust mir noch immer nicht.« Jan warf einen mißtrauischen Blick auf das zerwühlte Bett, aber Vera schürzte nur abfällig die Lippen.
»Das bedeutet gar nichts«, sagte sie. »Es bedeutet nichts für euch – wie kommst du also auf die Idee, daß es etwas für uns bedeuten könnte?« Ihre Stimme wurde kälter, und – er war sicher, ganz bewußt – verletzender. »Du warst nicht besonders gut, weißt du?«
»Warum hast du es dann zugelassen?«
»Nicht besonders gut bedeutet nicht automatisch schlecht. Jedenfalls nicht für einen von deiner Rasse.« Sie hob die Schultern. »Nimm es nicht persönlich. Ich habe einfach viel mehr Zeit zum Üben gehabt.«
»Wie viel mehr Zeit? Hundert Jahre? Fünfhundert? Oder tausend?«
Vera setzte zu einer Antwort an, hob dann plötzlich die Hand und drohte ihm spielerisch mit dem Finger. »Guter Versuch«, sagte sie. »Aber trotzdem – es ist besser, wenn du nicht zu viel weißt.«
»Dann hör auf, so blöde Anspielungen zu machen«, antwortete Jan. »Ich mag das nicht.«
»Ganz wie du meinst«, antwortete Vera. »Also gut. Ich sage dir alles, was du wissen mußt. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.«
»Ich verstehe«, sagte Jan erbost. »Dieser Kerl will mich umbringen, aber ich brauche nicht zu wissen, wie ich mich gegen ihn verteidigen kann. Wozu auch.«
» Ich werde ihn unschädlich machen«, sagte Vera.
»Wie beruhigend«, sagte Jan spöttisch. »Dann wollen wir nur hoffen, daß er das nicht voraussieht. Irgendwie habe ich das Gefühl, daß er nicht allzu überrascht wäre, wenn du plötzlich neben mir stehst.«
»Ich werde nicht allein sein«, sagte Vera ernst. »Wir sind mehr als alle anderen daran interessiert, ihn zu kriegen, vergiß das nicht. Es reicht, wenn du ihn für eine Weile ablenkst.«
»Du meinst, wenn ich den Köder spiele?« Jan machte eine ärgerliche Geste. »Mach mir doch nichts vor! Er ist vielleicht ein psychopathischer Mörder, aber er ist nicht dumm! Sag mir, wie ich mich gegen ihn wehren kann, oder –«
»Oder?« fragte Vera spöttisch. »Legst du mich übers Knie? Oder rührst du dich nicht von der Stelle und bleibst hier sitzen,bis die Polizei kommt und dich abholt?« Sie sah ihn einige Sekunden lang fast traurig an, dann schüttelte sie den Kopf und seufzte tief. Als sie weitersprach, hatte sich etwas in ihrer Stimme geändert.
»Entschuldige«, sagte sie. »Du hast recht. Ich kann nicht von dir verlangen, daß du deinen Hals für mich riskierst, ohne dir gleichzeitig zu sagen, wie du dich schützen kannst.« Sie stand auf und begann mit verschränkten Armen und kleinen, nervösen Schritten im Zimmer auf und ab zu gehen, während sie weitersprach. »Du kannst ihn nicht töten. Selbst wenn ich dir verraten würde wie, könntest du es
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