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Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel

Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel

Titel: Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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zurückdrängte. Vera lachte leise.
    »Eine Stunde? Nein. Wir haben alle Zeit der Welt.«
    Er dachte nicht über diese Worte nach, sondern drückte sie mit sanfter Gewalt auf das Bett nieder und begann, sich die Kleider vom Leib zu reißen, die er gerade erst angezogen hatte.
    Der Zauber wirkte auch dieses Mal. Sein Körper, der mehr gegeben hatte, als er nach jeder Logik zu leisten imstande war, verweigerte ihm auch diesmal nicht seinen Dienst, und sie verbrachten fast die gesamte Zeit, die ihnen noch bis zum Dunkelwerden blieb, im Bett.
    Und trotzdem: Während sie eng umschlungen dalagen und ihre Körper von einem Höhepunkt zum nächsten trieben, sah er die ganze Zeit dieses eine, gräßliche Bild vor seinem inneren Auge. Das Foto, auf dem Krieger und der unheimliche Schatten hinter ihm zu sehen waren.
    Der Schatten, der Veras Gesicht hatte.
     
    Die Erklärung war im Grunde simpel. Vera hatte es ihm ja selbst gesagt: Die Macht ihres Volkes reichte nicht aus, um die Wirklichkeit zu verändern, sondern allenfalls das Bild , das die Menschen davon sahen. Sie konnte durchaus verhindern, daß er sie sah, selbst wenn er direkt in ihre Richtung blickte, selbst wenn er dies durch den Sucher einer Kamera oder über einen Bildschirm hinweg tat, aber das hinderte die Kamera oder den Bildschirm offensichtlich nicht daran, die Wirklichkeit festzuhalten.
    Er konnte Vlad – und jeden, der so war wie er – mit Hilfe seiner Kamera enttarnen, nur nicht sofort. Sein Vorteil war noch kleiner, als er ohnehin schon angenommen hatte. Trotzdem war die kleine Kamera, die er jetzt in der rechten Jackentasche trug, vielleicht das einzige, was zwischen ihm und dem sicheren Tod stand.
    »Sind sie ganz sicher, daß Sie hier aussteigen wollen?« fragte der Taxifahrer. Er warf Jan einen schrägen Blick durch den Rückspiegel zu. Einen Blick, der Jan ganz und gar nicht gefiel. Der Mann hatte ihn nicht erkannt, aber er war mißtrauisch geworden. Vermutlich würde er nach seinem Funkgerät greifen und die Zentrale über die beiden sonderbarenFahrgäste unterrichten, kaum daß sie bezahlt und den Wagen verlassen hatten.
    »Warum nicht?« fragte Jan.
    »Es ist eine einsame Gegend«, antwortete der Taxifahrer. »Und heute steht irgendwie die ganze Stadt kopf.«
    Zumindest was die einsame Gegend anging, hatte er zweifellos recht. Sie befanden sie nicht einmal weit von der Stadt entfernt – die Anzeige auf dem Taxameter hatte die 20-Mark-Grenze noch nicht erreicht –, und rings um sie herum erstreckte sich nichts als Wildnis. Die Dunkelheit, die vor einer halben Stunde hereingebrochen war, ließ die Bäume und das Unterholz, welches die schmale Straße flankierte, zu bizarren Drahtskulpturen werden, und selbst die Lichter der Stadt wirkten seltsam irreal. Als wären sie nichts mehr als Boten aus einer fremden Welt, die in diesem archaischen Universum keinen Bestand mehr hatte.
    »Wir sind hier verabredet«, sagte Vera. »Aber Sie haben schon recht – es ist eine komische Gegend. Was haben Sie damit gemeint: Die Stadt steht kopf?«
    »Hören Sie kein Radio?« fragte der Taxifahrer. »Ganz Neuss ist im Belagerungszustand. Die Bullen drehen jeden Stein um. Irgend so ein Dreckskerl hat heute morgen drei Polizisten umgelegt.«
    »Drei?« Jan richtete sich kerzengerade in seinem Sitz auf. »Sagten Sie drei ?«
    »Drei«, bestätigte der Taxifahrer. Er zog eine Grimasse. »Aber keine Angst. Die kriegen den Kerl. Die ganze Stadt ist auf der Jagd nach ihm.«
    Drei ? Wieso drei ? Jan starrte Vera an, aber auf ihrem Gesicht zeigte sich nicht die geringste Regung. »Weiß man denn, wer es war?« fragte er stockend.
    »Ja«, antwortete der Taxifahrer. Etwas an der Art, auf die er Jan über den Spiegel hinweg musterte, änderte sich. »Wie gesagt,sie kriegen ihn. Ich gehe jede Wette ein, daß der Kerl in vierundzwanzig Stunden sitzt.« Er lachte hart. »Ich möchte dann nicht in seiner Haut stecken. Unsere Polizisten mögen es nicht besonders, wenn man ihre Kollegen umlegt.«
    Jan wollte antworten, aber Vera kam ihm zuvor.
    »Na, dann können wir ja ganz beruhigt sein«, sagte sie. »Ich meine, wenn die Polizei im Moment so aufmerksam ist, kann uns ja nichts passieren. Halten Sie da vorne an.«
    »Hier?« Die Blicke des Taxifahrers sprachen Bände, aber er lenkte den Wagen gehorsam an den Straßenrand, kuppelte aus und tippte auf eine Taste am Armaturenbrett; Jan wußte nicht, was sie bewirkte.
    »Warum steigst du nicht schon einmal aus und siehst nach, ob

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