Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel

Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel

Titel: Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
Weile, aber es wurde nicht besser. Nach zwei oder drei Minuten war er wenigstens wieder in der Lage, sich aufzurichten und seine Hand in den Lichtstrahl der Taschenlampe zu halten.
    Der Anblick erschreckte ihn, aber in vollkommen anderer Hinsicht, als er erwartet hatte.
    So, wie sich seine Hand anfühlte, hätte sie ein aufgedunsener Fleischklumpen sein sollen, der zu nichts anderem Nutze war, als ihm Qual zu bereiten.
    Sie war es nicht.
    Seine Hand war vollkommen unversehrt. Als er die Finger bewegte, tat es weh, bereitete ihm aber nicht die geringste Mühe.
    Aber Vlad hatte ihm mindestens zwei, wenn nicht sogar mehr Fingerknochen gebrochen … und das Unheimlichste war: Er hatte es vollkommen vergessen. Er hatte nicht nur keinen Schmerz gefühlt – das wäre vielleicht noch erklärbar gewesen –, er hatte es einfach vergessen !
    Was um alles in der Welt hatte Vera mit ihm gemacht?
    Jan schloß die Finger ein paarmal hintereinander zur Faust. Der Schmerz ebbte rasch ab und war am Schluß praktisch verschwunden. Vergessen oder auf unheimliche Weise geheilt – seine Hand funktionierte hundertprozentig, und das allein war jetzt wichtig.
    Er nahm die Taschenlampe wieder zur Hand, stand auf und zog auch die zweite Tür hinter sich wieder ins Schloß. Falls Vera mit ihrem Einbruch tatsächlich irgendeine Art von Alarm ausgelöst hatte, mußte er seine Verfolger ja nicht so offensichtlich auf seine Spur stoßen.
    Der Gang, der sich nun vor ihm erstreckte, unterschied sich vollkommen von dem Treppenschacht, durch den er hereingekommen war. Die Wände bestanden aus uraltem Mauerwerk, in dessen Ritzen sich Feuchtigkeit und Schimmel eingenistet hatten, und auf dem Boden stand eine zentimetertiefe Wasserschicht. Es war kalt, sehr feucht, und nachdem er ein paar Schritte weit gegangen war, wurde die Decke so niedrig, daß er nur noch gebückt vorwärts kam. Nach ein oder zwei Dutzend Schritten gelangte er an eine weitere, diesmal aber nicht verschlossene Tür.
    Dahinter lag kein weiterer Gang, wie er erwartet hatte, sondern ein hoher, finsterer Saal, der so weitläufig war, daß sich das Licht der Taschenlampe darin verlor, ehe es die gegenüberliegende Wand erreichte. Der Boden war mit Wasser bedeckt. Ein ganzer Wald aus fast mannsdicken runden Betonsäulen stützte die Decke, die sich mindestens fünf Meter über seinem Kopf erhob. Es war ein Siel, ein unterirdisches Überflutungsbecken, wie es sie in jeder Stadt mit einer halbwegs anständigen Kanalisation gab. Jan wußte nicht genau, welchem Zweck es diente, aber wie fast jeder hatte er schon Fotos und Filmaufnahmen davon gesehen. Sie vermochten die Wirklichkeit jedoch noch nicht einmal annähernd zu erfassen. An dieser modernen Katakombe war etwas Unwirkliches, das ihm angst machte – so, als hätte sich die Wirklichkeit ein ganz kleines Stückchen weit in die Richtung verschoben, in der der Irrsinn und die Schatten wohnten.
    Jan versuchte, den Gedanken abzuschütteln und sich auf die Realität zu konzentrieren, die schlimm genug war; aber ganz gelang es ihm nicht. Er fühlte sich nach wie vor unwirklich. Vielleicht war er es. Vera hatte ihm einen Teil ihrer Kraft übertragen, damit er in diesem ungleichen Kampf überhaupt eine Chance hatte, und vielleicht hatte sie ihm dabei auch noch mehr gegeben. Vielleicht war das, was er jetzt fühlte, auch das, was sie waren .
    Er schwenkte die Taschenlampe von links nach rechts und wieder zurück, ohne mehr als schwarzes Wasser und naß glänzenden Beton zu sehen. Vlad war nicht hier – selbstverständlich nicht. Er würde kaum hier unten im eiskalten Wasser sitzen und auf ihn warten.
    Vorsichtig ging er weiter. Die Treppe führte direkt ins Wasser hinab, und als er hineintrat, war es wie ein elektrischer Schlag. Das Wasser war so kalt, daß er im ersten Augenblick keine Luft mehr bekam. Er begann am ganzen Leib zu zittern,ging aber trotzdem weiter. Das Wasser stieg über seine Waden, kroch seine Kniekehlen hinauf und umspülte schließlich seine Oberschenkel, dann hatte er das Ende der Treppe erreicht. Wenigstens würde er nicht schwimmen müssen. Wahrscheinlich hätte er das in diesem eiskalten Wasser gar nicht gekonnt.
    Warum verdammt noch mal hatte ihn Vera hier heruntergeschickt? Der Dunkle war nicht hier. Selbst ein Vampir fand diesen Ort ganz bestimmt nicht gemütlich.
    Jan legte etwa zwanzig Schritte in dem eiskalten Wasser zurück, dann blieb er abermals stehen und hielt seine Lampe in die Höhe. Diesmal traf der

Weitere Kostenlose Bücher