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Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel

Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel

Titel: Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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hob die Hand und machte eine Bewegung, die ein rauchiges Nachbild auf Jans Netzhaut hinterließ, undKatrin hielt mitten im Schritt inne und riß verwirrt die Augen auf. »Was –?!«
    Die Tür flog auf, und eine ältliche Krankenschwester in einer etwas zu engen weißen Tracht stürmte herein. Ihr Gesicht verriet, daß sie mindestens so lange auf den Beinen gewesen sein mußte wie Katrin, wahrscheinlich länger, aber das hinderte sie nicht daran, die Lage mit einem einzigen Blick zu erfassen und richtig zu reagieren. Sie war mit zwei schnellen Schritten zwischen Katrin und ihm, drängte sie wie zufällig, aber dabei sehr nachdrücklich zur Seite und warf einen schnellen, routinierten Blick zuerst auf Jan, dann auf die Phalanx von Apparaturen und Computern hinter ihm. Um das zu tun, mußte sie direkt durch den Schatten hindurchsehen, was ihr aber offenbar nicht die geringste Mühe bereitete.
    »Was … was ist denn los?« fragte Katrin. Sie fuhr sich nervös mit der Hand über das Gesicht und sah ganz aus wie jemand, der sich fragte, was, zum Teufel, eigentlich los war.
    Die Schwester betätigte ein paar Schalter an den Geräten hinter ihm, und der Überwachungscomputer stellte sein elektronisches Nörgeln ein. Erst dann drehte sie sich zu Katrin um und sagte mit ruhiger, aber sehr sicherer Stimme: »Es gibt keinen Grund zur Beunruhigung. Aber Sie sollten Herrn Feller jetzt besser allein lassen. Er braucht ein bißchen Ruhe.«
    »Kein Grund zur Beunruhigung?« Katrin wirkte eindeutig beunruhigt, und Jan, der in diesem Moment wortwörtlich dasselbe dachte, fühlte sich mehr als nur beunruhigt. Eine nie gekannte, stille Art von Panik begann von ihm Besitz zu ergreifen, langsam, aber unaufhaltsam. Die Kurve auf dem Monitor hinter seinem Bett schlug schon wieder aus. Die Schwester ignorierte es.
    »Aber … aber sollten wir nicht einen Arzt rufen oder so etwas?« fragte Katrin.
    »Das ist wieder nicht nötig«, sagte die Schwester, nun schon eine Spur entschiedener. »Lassen Sie ihn einfach schlafen. Es ist fünf Uhr morgens.«
    »Aber –«
    »Und Sie sollten dasselbe tun. Gehen Sie nach Hause, und schlafen Sie sich gründlich aus.«
    Katrin schüttelte verstört den Kopf. Und dann tat sie etwas für sie vollkommen Untypisches: Sie gab auf. Sofort, umfassend, ohne auch nur den Versuch einer Widerrede.
    »Wahrscheinlich haben Sie recht«, sagte sie. Sie sah auf die Uhr, gähnte, winkte Jan beiläufig zu und ging ohne ein weiteres Wort.
    Jan blickte ihr fassungslos nach. »Was haben Sie mit ihr gemacht?« fragte er. »Sie hypnotisiert?«
    Ganz offensichtlich verstand die Schwester nicht, wovon er sprach. Sie hob nur die Schultern und ging nicht weiter auf das Gespräch ein.
    »Ich werde Ihnen etwas geben, damit Sie schlafen können«, sagte sie.
    »Und wenn ich das nicht will?« Schlafen? Sich freiwillig in das Reich des Schattens begeben?
    Die Krankenschwester runzelte die Stirn. »Sind Sie reich?« fragte sie.
    »Wie?«
    »Sind Sie es?«
    »Nein«, antwortete Jan, »aber was –?«
    »Dann können Sie sich auch keinen teuren Rechtsanwalt leisten, der die Klinik verklagt«, unterbrach ihn die Schwester, lachte gutmütig und begann an den Kontrollen der Infusionsschläuche herumzufummeln. Sie befanden sich außerhalb des Bereiches, den Jan einsehen konnte, aber er konnte sich ziemlich genau vorstellen, was sie dort tat.
    »He!« protestierte er. »Ich will nicht schlafen.«
    »Haben Sie einen dringenden Termin?« fragte die Schwester spöttisch. Sie trat einen Schritt zurück, begutachtete kritisch ihr Werk und schien mehr als zufrieden damit zu sein. »Machen Sie sich keine Sorgen. Wir passen gut auf Sie auf. Schließlich ist das hier eine Intensivstation.«
    »Der richtige Ort für jemanden, der sich keine Sorgen zu machen braucht, wie?« murrte Jan.
    »Richtig.« Die Schwester lächelte auf eine Art, die Jan wütend gemacht hätte. Hätte das Medikament nicht bereits angefangen, seine Wirkung zu tun. Was immer es war – es schien keine chemische Keule, sondern ein chemischer Preßlufthammer zu sein. Er war sich sowohl der Ungeheuerlichkeit dessen bewußt, was Schwester Rabiata mit ihm anstellte, als auch der weiteren Gegenwart des Dunklen. Der Schatten stand immer noch hinter ihm, unfähig, den letzten Schritt in die Realität zu tun, aber drohend und präsent. All dies war Jan vollkommen bewußt.
    Aber es war ihm auch scheißegal.
    »Schlafen Sie jetzt«, sagte die Schwester. »Ich komme in zehn Minuten noch einmal

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