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Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel

Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel

Titel: Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Dutzend Schaufenstern vorbei, vermied es aber hineinzublicken, um nicht zu sehen, was er nicht sehen wollte .
    Jan erreichte unbehelligt das Rathaus, überquerte die Straßen und hätte vor Erleichterung fast laut aufgejubelt, als er sah, daß das Tor der Tiefgarage offenstand. Er beschleunigte seine Schritte noch einmal, lief die Rampe hinab und entdeckte Peters cremefarbenen Volvo im hinteren Drittel der Tiefgarage – was nicht besonders schwer war. Außer dem museumsreifenGefährt befanden sich nur noch zwei weitere Fahrzeuge in der Garage: Ein großer Mercedes – vermutlich der Dienstwagen des Bürgermeisters – und ein klappriger Polo, der in respektvollem Abstand dazu geparkt war. Wie er seinen Bruder kannte, interviewte er den Besitzer des Volkswagens, nicht den Bürgermeister.
    Jan lief noch ein paar Schritte, wurde dann langsamer und blieb schließlich stehen. Sein Herz schlug immer noch schnell, raste aber jetzt nicht mehr, und seine Hände und Knie hatten endlich aufgehört zu zittern. Mit einem Mal kam ihm sein eigenes Verhalten lächerlich vor. Hatte er sich gerade wirklich mit einer Spiegelung in einer Schaufensterscheibe unterhalten? Vielleicht hatte Katrin recht, und er sollte wirklich zu einem Arzt gehen. Zu einem von der Sorte, die statt eines Röntgenapparates eine Ledercouch in ihrem Untersuchungszimmer hatten.
    Vielleicht lag es an seiner Umgebung, daß er sich so schnell beruhigte. Jan fühlte sich normalerweise in Parkhäusern oder gar Tiefgaragen nicht wohl. Der kahle Beton, die nackten Neonröhren und die in Reihen abgestellten Wagen, die ihm immer etwas seltsam Zweckentfremdetes zu haben schienen, machten ihn nervös. Und er hatte stets das Gefühl, in einer solchen Umgebung nicht richtig atmen zu können. Vermutlich eine milde Form von Platzangst.
    Im Moment war er froh darum. Die kalte Sterilität des Parkdecks holte ihn endgültig in die Wirklichkeit zurück.
    Während er auf Peters Volvo zuschlenderte, zündete er sich eine Zigarette an und nahm einen tiefen, fast gierigen Zug. Sie schmeckte nicht. Der Rauch hinterließ einen fauligen Geschmack auf seiner Zunge, und er roch verbrannt; nicht auf die Art, wie brennender Tabak riechen sollte, sondern eher wie … schmorendes Fleisch.
    Jan verzog angeekelt das Gesicht, warf die Zigarette zu Bodenund trat sie unter dem Absatz aus. Unschlüssig ging er weiter, lehnte sich gegen den Wagen und verschränkte für einen Moment die Arme.
    Er benahm sich noch immer irrational. Es konnte zwei Minuten dauern, bis sein Bruder auftauchte, ebenso gut aber auch eine Stunde, oder auch zwei oder drei. Viel wahrscheinlicher war, daß zuvor irgendein Wachmann hier unten erschien und ihn fragte, was er hier zu suchen hatte.
    Der verbrannte Geruch hing immer noch in der Luft. Er schien sogar stärker geworden zu sein, seit er die Zigarette ausgetreten hatte. Es roch tatsächlich nach verbranntem Fleisch.
    Er nahm die Arme herunter, sah sich suchend um und wollte gerade wieder nach draußen gehen, als er ein Geräusch hörte. Jan fuhr erschrocken herum und sah, daß am anderen Ende des Raumes eine Tür offenstand. Sie war sehr schmal und in der gleichen Farbe gestrichen wie die Wände. Bisher hatte er sie nicht einmal bemerkt.
    Jan blickte unschlüssig zum Aufzug, überlegte einen Moment und setzte sich schließlich in Bewegung. Er hatte nicht vor, das Gebäude wieder zu verlassen, unter gar keinen Umständen. Wie er sein Glück einschätzte, trat Peter garantiert in genau dem Moment aus dem Lift, in dem er auf der anderen Seite der Tür war.
    Jan wußte nicht einmal, warum er jetzt zu dieser Tür ging. Aber jemand hatte die Tür geöffnet und war dann nicht hereingekommen. Und er war so schnell wieder gegangen, daß er nicht einmal mehr dazu gekommen war, sie wieder zu schließen. Sie stand noch immer einen zwei Finger breiten Spalt offen.
    Jan legte die Hand gegen das graugestrichene Metall und versuchte sie ohne große Kraftanstrengung aufzuschieben. Es gelang ihm nicht. Die Tür war viel zu schwer. Es war eine massive Feuerschutztür, dazu gedacht, extremen Temperaturenoder auch einer Explosion standzuhalten. Diese Tür war ganz bestimmt nicht von selbst aufgesprungen.
    Er legte die Hand auf die Klinke, schob die Tür mit sehr viel mehr Kraft als zuvor auf und warf einen Blick in den dahinterliegenden Raum. Er war sehr dunkel, so daß Jan im ersten Moment praktisch nichts sah; dann gewöhnten sich seine Augen an das schwache Licht, und er erlebte eine

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