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Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel

Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel

Titel: Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Überraschung.
    Er hatte einen Versorgungsraum erwartet, ein Treppenhaus, vielleicht auch nur eine Putzkammer, oder auch zwei Quadratmeter nackten Beton und dann eine weitere, monoton gestrichene Tür.
    Was er jedoch sah, war etwas, was er hier ganz gewiß nicht erwartet hatte: Hinter der Tür lag tatsächlich eine Treppe, aber sie führte keineswegs in die Höhe, sondern in geradezu halsbrecherischem Winkel steil weiter in die Erde hinab. Die Stufen bestanden auch nicht aus Beton oder Metall, sondern aus uraltem, brüchig gewordenem Stein und waren so ausgetreten, daß in ihrer Mitte eine deutliche Vertiefung entstanden war. Auch die Wände bestanden nicht aus Beton, sondern aus dem gleichen, uralten Stein, der in unregelmäßigen Quadern aufeinandergeschichtet worden war. Die Decke war gewölbt und niedrig. Das wenige Licht, das durch die Tür fiel, reichte gerade aus, die obersten vier oder fünf Stufen der Treppe zu erleuchten, aber Jan spürte, daß sie sehr weit in die Tiefe reichte.
    Seine Neugier war geweckt. Der Umbau des Rathauses hatte nicht nur eine Menge Geld verschlungen, sondern war auch äußerst umstritten gewesen. Etwas wie dieser Treppenschacht war in den Bauplänen ganz bestimmt nicht vorgesehen gewesen. Und wäre man bei den Bauarbeiten auf diese Treppe oder gar eine Verbindung zu den alten Katakomben gestoßen, die es angeblich unter großen Teilen der Stadt gab, hätte er davon gewußt. Daß er die Stadt, in der er wohnte, nicht unbedingt in sein Herz geschlossen hatte, hieß nicht, daß er sichnicht dafür interessierte. Was, um alles in der Welt also, hatte er da entdeckt?
    Er schob die Tür weiter auf und trat unter den Türrahmen, aber nicht hindurch. Das Licht fiel nun ein gutes Stück weiter in die Tiefe, enthüllte aber nichts Sensationelles. Er konnte nun mehr als ein Dutzend Stufen zählen, war aber sicher, daß das längst noch nicht alle waren. Dieser sonderbare Treppenschacht führte also mindestens drei Meter weit in die Tiefe, wahrscheinlich aber noch viel weiter. Und was immer dort unten lag, mußte uralt sein. Die Luft, die ihm aus der Tiefe entgegenschlug, roch feucht, modrig – und nach verbranntem Fleisch.
    Der Gestank, den er die ganze Zeit über bemerkt hatte, kam von dort unten.
    Jan war mehr als unschlüssig, was er tun sollte – und er verfluchte sich mittlerweile dafür, keinen Fotoapparat dabei zu haben. Hätte er es, dann hätte er keine Sekunde gezögert, die Treppe hinunterzugehen und nachzusehen, was an ihrem Ende lag. Ohne Lampe erschien ihm das jedoch als viel zu gefährlich. Und ohne Fotoapparat auch vollkommen sinnlos.
    Aber vielleicht konnte er es ja später nachholen.
    Jan ließ sich in die Hocke sinken und untersuchte das Schloß. Es war ein äußerst massives, aber auch simples Schnappschloß, das nur mit einem Schlüssel geöffnet werden konnte. War der Schnapper einmal eingerastet, konnte man die Klinke zwar immer noch herunterdrücken, die Tür aber nicht mehr öffnen.
    Jan brauchte nur zwei Minuten und das Silberpapier aus seiner Zigarettenschachtel, um den Mechanismus zu blockieren. Die Tür ließ sich jetzt immer noch schließen, aber der Riegel rastete nicht mehr ein. Er konnte später und besser ausgerüstet zurückkommen und versuchen, das Geheimnis dieser Tür zu ergründen.
    Er nahm ein kaum wahrnehmbares Geräusch hinter sichwahr und praktisch im gleichen Moment, in dem er sich herumdrehte, eine schattenhafte Bewegung, eigentlich nur ein Flackern in den Augenwinkeln, das verschwand, als er es mit Blicken zu fixieren versuchte.
    Sein Erschrecken und die entsprechende Reaktion erfolgten gleichzeitig. Und beide zu spät.
    Jan sah etwas wie einen halb durchsichtigen Schemen auf sich zurasen, warf sich zur Seite und fühlte mit Entsetzen, wie sein Fuß an der Türschwelle hängenblieb. Instinktiv verlagerte er sein Gewicht, riß die Arme in die Höhe und machte eine hektische Bewegung, um seine Balance zurückzuerlangen.
    Vielleicht wäre es ihm sogar gelungen, wäre in diesem Moment nicht etwas Weiches, aber sehr Schweres mit solcher Wucht gegen seine Schulter geprallt, daß er regelrecht durch die Tür katapultiert wurde.
    Der gemauerte Treppenschacht, die Stufen und die gewölbte Decke führten einen blitzartigen, anderthalbfachen Salto vor seinen Augen auf, dann sprang ihm eine der ausgetretenen Treppenstufen regelrecht entgegen.
    Dann nichts mehr.
     
    Und dabei blieb es für eine geraume Weile. Jan erwachte mit entsetzlichen Kopfschmerzen,

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