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Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel

Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel

Titel: Dunkel - Hohlbein, W: Dunkel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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außergewöhnlich, aber mehr auch nicht.
    Jan versuchte mit aller Macht, sich diese Erklärung einzuhämmern. Ganz gelang es ihm nicht, aber sie vermochte zumindest seine Furcht ein wenig niederzukämpfen. Er war irgendwie in eine Lücke zwischen den Mauern der Wirklichkeit gestolpert, und er mußte sehen, daß er wieder herauskam, bevor er sich in der Dunkelheit dahinter verirrte.
    Obwohl es ihm selbst als der helle Wahnsinn erschien, ging er weiter. Diesmal gelang es ihm, von der Stelle zu kommen.
    Ohne daß er es sich bewußt machte, wechselte er die Straßenseite. Links gab es mehr Geschäfte, mehr Schaufenster und damit mehr Licht.
    Es war jetzt vollkommen still. Selbst das Flattern des riesigen Plastiksegels war hinter ihm zurückgeblieben, als hätte er sich kilometerweit entfernt; dabei waren es nur ein paar Schritte. Jan widerstand der Versuchung, sich umzudrehen, warf aber einen Blick nach links; im Schaufenster der Boutique, an der er gerade vorbeiging, sah er, daß zwei Männer auf der anderen Straßenseite standen und ihn anstarrten. Jan konnte sie nur als verzerrte Spiegelbilder erkennen, und selbst da waren sie unschärfer und verschwommener, als sie sein sollten; wie bei einer Gegenlichtaufnahme mit viel zu langer Belichtungszeit. Trotzdem konnte Jan erkennen, daß sie sehr groß und auf sonderbare Weise gekleidet waren: Sie trugen lange, bis auf den Boden reichende Mäntel oder Umhänge und dazu Kopfbedeckungen, die fast wie altmodische Dreispitze aussahen. Und sie blickten ganz eindeutig in seine Richtung.
    Jan starrte das Spiegelbild eine gute Sekunde lang an, drehte sich dann herum und war nicht einmal mehr überrascht, nichts als den leeren Bürgersteig und die gegenüberliegende Wand zu sehen.
    Als er sich wieder zum Schaufenster umdrehte, war eine der beiden Gestalten verschwunden. Die andere stand noch immer reglos an der gleichen Stelle und starrte ihn an.
    Jan sah über die Schulter zurück. Die gegenüberliegende Straßenseite war leer.
    Er drehte sich wieder zum Schaufenster um und sah den Umriß erneut.
    Gut, dann war er eben verrückt.
    Später, als er darüber nachdachte, erschien ihm seine Entscheidung als vollkommen hirnrissig, aber in diesem Moment kam ihm seine Überlegung sehr logisch vor. Es gab nur zwei Möglichkeiten: Nicht nur sein Herz, sondern auch sein Verstand hatte einen kräftigen Knacks abbekommen. Und er bildete sich das alles nur ein, angefangen von der Gestalt an seinem Bett im Krankenhaus bis hin zu dem Mann mit dem Dreispitz, oder er hatte es wirklich mit Gestalten zu tun, die nur im Spiegel sichtbar waren oder aus den Augenwinkeln heraus. In beiden Fällen hatte er nichts zu verlieren, wenn er versuchte, der Sache auf den Grund zu gehen.
    »Wer seid ihr?« fragte er. »Was, zum Teufel, wollt ihr von mir? Warum verfolgt ihr mich?«
    Er bekam keine Antwort, aber wie in einer Reaktion auf den bloßen Klang seiner Stimme bewegte sich die Gestalt. Jan fuhr herum, starrte einen Moment lang wütend die Stelle an, an der der Fremde ungefähr sein mußte, und starrte dann wieder die Spiegelung in der Scheibe an. Die dunkle Gestalt hatte sich abgewandt und ging nun mit langsamen Schritten in die Richtung davon, aus der Jan selbst vor ein paar Minuten gekommen war.
    »Bleibt gefälligst hier!« schrie Jan. »Verdammt noch mal, ich will endlich wissen, was hier gespielt wird!«
    Die Gestalt ging weiter, ohne auf seine Worte zu reagieren, und verschwand nach wenigen Schritten aus der Fensterscheibe.
    Jans erster Impuls war, ihr nachzurennen. Auch wenn er den geheimnisvollen Fremden nicht sehen konnte, wußte er doch ungefähr, wo er war, und er bewegte sich nicht besonders schnell.
    Aber dann stellte er sich vor, wie es sein würde, wenn er ihn erreichte, wenn er zugriff und tatsächlich etwas fühlte, was da war, ohne daß er es tatsächlich sehen konnte. Diese Vorstellung war einfach zu entsetzlich. Er konnte mit dem Gedanken leben, daß irgendeiner der Milliarden Schaltkreise in seinem Kopf nicht mehr richtig arbeitete; mit der Vorstellung, es wirklich mit einem oder gar mehreren Unsichtbaren zu tun zu haben, nicht.
    Er mußte weg hier! Raus aus dem Dunkel und zurück in die Welt des Hellen.
    Zurück in die Richtung zu laufen, in der sein Wagen stand, hätte bedeutet, dem Unsichtbaren zu folgen. Außerdem war er dem Rathaus, wo er sich mit Peter treffen wollte, deutlich näher.
    Er lief los, so schnell es gerade noch ging, ohne wirklich zu rennen. Er kam ungefähr an einem

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